Molly Joyce

Die Komponistin Molly Joyce (geb. 1992) begann ihre musikalische Ausbildung auf der Geige. Nach einem Autounfall verlor sie beinahe ihre linke Hand, die sie seitdem kaum bewegen kann. Ein klassisches Instrumentalstudium war danach nicht mehr möglich, also fokussierte sie sich bald darauf, ihren musikalischen Ausdruckswillen als Komponistin auszuleben. Sie studierte in New York, Den Haag und Yale.

Eines Tages kaufte sie sich auf eBay eine Spielzeugorgel, zunächst nur als private Spielerei. Bald sah sie jedoch das Potenzial dieses Instruments, das wie für sie gemacht scheint: Auf der linken Seite befinden sich Akkord-Knöpfe und Effektregler, die sie mit ihrer linken Hand gut bedienen kann – im Gegensatz etwa zu Klaviertasten. So fand Joyce in dem Instrument nach und nach ein geeignetes Ausdrucksmittel, das sie immer weiter in ihre Arbeit integrierte. Heute ist es im Zentrum ihrer musikalischen Performance.

»I became more comfortable embracing my own physicality, realizing this is natural for me.«

Daneben komponiert sie für verschiedene Besetzungen von Kammermusik bis hin zum großen Orchester. Ihre Werke wurden bereits von den New World, New York Youth, Pittsburg und Milwaukee Simphony Orchestras sowie Chicago Sinfonietta, Decoda, Contemporaneous u. v. m. gespielt.

Ihre eigene Geschichte inspirierte sie dazu, sich für Menschen mit Behinderung einzusetzen. So nutzt ihre körperliche Einschränkung als Inspirationsquelle für künstlerische und kollaborative Projekte. 2019 begann sie etwa das fortlaufende Projekt »Perspective«, in dem sie die Stimmen von Menschen mit verschiedenen Behinderungen sammelt, die sie vor atmosphärischen Klangkompositionen collagiert. Es werden Fragen wie »Was bedeutet Stärke?« diskutiert.

Im Begleitprogramm zum Konzert »Sieben letzte Worte« beim Beethovenfest wird dieses Konzept aufgegriffen: Der Video- und Soundkünstler Frederik Werth erarbeitet mit blinden und sehbehinderten Menschen eine digitale Ausstellung, in der sie ihre eigenen Zugänge zu den Themen der »Neuen sieben letzten Worten« darstellen.

Yale School of Music nannte die Arbeit von Molly Joyce »artistic activism«. Auch für andere Themen setzt sie sich mit ihrer Musik ein, etwa für den Umwelt- und Klimaschutz. Im fünften »Neuen letzten Wort« antwortet sie musikalisch auf den Text von Simoné Goldschmidt-Lechner, der das Spannungsfeld zwischen kollektivem Potenzial und individueller Verzweiflung angesichts des Klimawandels thematisiert. Grundlage ist Joseph Haydns »Mich dürstet«.