»Ich habe die Installation »trias politica« genannt – lateinisch für Gewaltenteilung. Passend zum diesjährigen Demokratiethema des Festivals.«
– Stimming
Vor genau 75 Jahren wurde in Bonn mit der Unterzeichnung des Grundgesetzes eine Verfassung in Kraft gesetzt, wo die Teilung der staatlichen Gewalt in legislative (gesetzgebende), exekutive (vollziehende) und judikative (Recht sprechende) festgelegt wird. Demnach sollen sich die drei Organe gegenseitig kontrollieren und den Staat in seiner Macht begrenzen. Dieses demokratische Grundprinzip macht Musikproduzent und Beethovenfest-Fellow Stimming mit seiner Klanginstallation »trias politica« erfahrbar.
Eine Klanginstallation, die ohne ein Miteinander nicht funktioniert
Die Installation besteht aus drei Säulen (analog zu den drei Gewalten) und ist jeweils mit Licht und 360°-Lautsprechern ausgestattet. Dabei ist die Technik interaktiv: Mit einem Sensors erfassen die Säulen Personen in einem Radius von 10 Metern. Nähert sich eine Person, reagieren die Säulen mittels Helligkeit und Klang. Je harmonischer die Verteilung von Menschen zu den drei Säulen ist, desto heller wird das Licht und desto klarer der Klang. Ähnlich wie in der Demokratie: Alleine funktioniert sie nicht, gemeinsam wird sie stark.
»Die drei Säulen können mittels eines LiDAR-Sendors die Anordnung von Personen rund um die Säulen erkennen und darauf reagieren. Diese LiDAR-Sensoren werden zum Beispiel auch in Saugrobotern eingesetzt.«
– Programmierer Friedrich Seydel
Technische und musikalische Grundlage
Jede Säule enthält einen LiDAR-Sensor, der auf Personen im Umkreis reagiert und Signale direkt an einen Granularsynthesizer weitergibt. Bei der Granularsynthese werden musikalische Audioaufnahmen in kleine Körner (engl. Grains) zerteilt und können im Anschluss beliebig manipuliert und abgespielt werden. Im Klangeindruck erreicht man eine Bandbreite von kurzen Knacksern bis hin zu einer vollständiger Audioaufnahme.
Musikalische Grundlage ist ein kleiner Auszug aus Beethovens berühmter »Missa solmenis«: das Friedensgebet »Dona nobis pacem«. Jede einzelne Säule ist mit einem Chor-Sample bespielt. Ein Algorithmus, basierend auf den Abstandsmessungen der LiDAR-Sensoren, bestimmt die Stärke der Zerteilung des Samples in einzelne Grains. Je näher und harmonischer Publikum zu den Säulen steht, desto hörbarer wird der Chor. Erst bei einem ausgeglichenen Feld von Menschen werden alle drei Säulen synchronisiert und lassen die Musik in Reinform erklingen.
Zum Werk
Die 1824 uraufgeführte »Missa solemnis« gehört zu den wichtigsten Kompositionen Ludwig van Beethovens. Er selbst beschrieb sie als eines seiner »größten Werke« – und in der Tat wurde die Messe in den folgenden Jahrhunderten zu einem der berühmtesten Chorwerke der klassischen Musik. Die Messe besteht aus fünf Teilen und endet mit dem Friedensgebet »Dona nobis pacem« im finalen Agnus Dei. Es bildet die musikalische Grundlage der Klanginstallation.
Hörbeispiele und mehr Infos zur »Missa solemnis« bietet unser Listening Guide.
Die Installation lädt ein, mit Klang und Licht zu spielen. Abstände zu verändern, mit Freund:innen und Fremden zu testen, wie Harmonie und Disharmonie, Helligkeit und Dunkelheit miteinander erzeugt werden können.
Die Installation ist akkubetrieben und wird im Beethovenfest 2024 an verschiedenen Orten ab dem 19. September erlebbar sein.
Stimming Konzept & Leitung
Friedrich Seydel, crushed eyes media Technische Entwicklung & Produktion
Janko Bartels, Kunstlicht Hamburg Exponatsbau
Ausstellungstermine im Festival
Weitere Events mit Stimming
, Pantheon Theater
Stimming & NDR Vokalensemble: The Wild Duck
NDR Vokalensemble, Stimming , Klaas Stok