Wie ein Orchester basisdemokratisch funktionieren kann, lebt das Ensemble Resonanz vor. Es gestaltet das Abschlusskonzert des Musikfests der Demokratie am 3.10.2024 und bringt sein Selbstverständnis eines gleichberechtigten Miteinander zum Beethovenfest.
So wie in einer Demokratie alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht, so könnte man im Fall des Ensemble Resonanz gut und gerne von einer ›Orchestokratie‹ sprechen. In dem 1994 gegründeten Kammerensemble gilt seit Anbeginn: Alle Entscheidungsgewalt geht von den Musiker:innen aus. Damit das bei rund 100 Konzerten pro Jahr künstlerisch und organisatorisch funktioniert, vergibt das Ensemble demokratisch legitimierte Führungsmandate – innerhalb des Orchesters und an das Management. So beschreibt es Tobias Rempe, künstlerischer Manager und Geschäftsführer des Ensembles:
»Die Musikerinnen und Musiker sind Gesellschafter:innen, ihnen gehört das Unternehmen. Vermutlich ist das die Grundlage dafür, dass das Ensemble Resonanz so konsequent einen eigenen Weg der Präsentation klassischer und neuer Musik gehen konnte, und zugleich die Quelle seiner Risikobereitschaft, Kreativität und Exzellenz. Das Ensemble ist über Gremien und Mandate in alle wesentlichen Steuerungsprozesse eingebunden; das sorgt für eine hohe Identifikation und ist sicher auch die Grundlage seiner besonderen Energie auf der Bühne.«
Bereits in den Proben ist diese ›stuhlkantige‹ Energie spürbar, die das Ensemble auf der Bühne auszeichnet. Sie zeugt von der großen Zufriedenheit, die unter den Mitgliedern des Ensembles herrscht – und das, obwohl die Musiker:innen kein Festgehalt beziehen und als Teilhaber:innen auch die wirtschaftlichen Risiken tragen, wie in der Corona-Pandemie jüngst spürbar.
»Ich könnte mir eine andere Form des musikalischen Miteinander gar nicht vorstellen«, sagt Solocellistin Saerom Park. »Ich glaube, dass ich als Musikerin in einem Ensemble tatsächlich nur so existieren kann; wenn ich die Möglichkeit habe, Teil eines Kollektivs zu sein, ohne mich als individuelle Musikerin aufgeben zu müssen. Diese Mischung macht mich auch als Mensch zufriedener.«
Die Berechtigung zur Mitsprache spielt eine zentrale Rolle beim Ensemble Resonanz. Zwar werden in der künstlerischen Arbeit auch Leitungsaufgaben vergeben, etwa an Dirigent:innen oder an Solist:innen. Dennoch können sich die Musiker:innen direkt mit Wünschen und Anregungen in die Probe einbringen. Damit der Fluss dabei nicht ins Stocken gerät, gibt es Spielregeln.
»Natürlich braucht es Richtlinien, damit wir unsere Probenzeit am Ende nicht zerreden«, erklärt Corinna Guthmann, seit 1997 Geigerin im Ensemble. »Die sind zwar nirgendwo schriftlich festgehalten, haben sich aber in der Praxis über die Jahre etabliert. Dazu gehört, dass wir vor jeder Probe bestimmen, wer den Hut aufhat.«
Mit seiner Doppelrolle als Residenzensemble der Hamburger Elbphilharmonie und zugleich des club-artigen »resonanzraum« in St. Pauli, aber ebenso durch innovative Dialogangebote sucht das Ensemble aktiv die ›Resonanz‹ in der Breite der Gesellschaft und setzt dabei auch außermusikalisch Maßstäbe.
»Wir alle teilen den Grundkonsens, dass wir in friedlicher Haltung miteinander arbeiten und streiten wollen«, so Corinna Guthmann. »Das klappt mal mehr und mal weniger gut. Am Ende aber sind wir dann stark, wenn wir eine Sache gemeinsam überzeugend machen. Und daran arbeiten wir jeden Tag.«
Ensemble Resonanz im Beethovenfest Bonn 2024
, Flick Gocke Schaumburg, Atrium
Euroica
Ensemble Resonanz, Riccardo Minasi, Jasmin Tabatabai
Beethoven