Die renommiertesten Orchester reißen sich um die junge chinesische Dirigentin – Elim Chan debütiert im Eröffnungskonzert beim Beethovenfest Bonn 2024. Wir haben Sie nach ihrer Sicht auf Beethoven gefragt.
Beethovens Fünfte – das ist das Stück, das Sie mit der Kammerakademie Potsdam im Eröffnungskonzert des Beethovenfestes 2024 spielen werden. Was hat uns Beethoven heute zu sagen?
Beethoven ist für mich schon lange ein Held. Ich bewundere ihn von ganzem Herzen für seinen Kampf als Künstler, trotz seiner Taubheit weiterhin schöpferisch zu bleiben. Seine musikalischen Prozesse sind getrieben von seinem überwältigenden Selbstbewusstsein, seinem Willen, seiner Kraft, seinem Schicksal und seiner Freiheit. Er hat in der Musik eine Revolution ausgelöst und einen Standard gesetzt, der die Komponist:innen nach ihm – von Brahms bis Wagner – fassungslos und unsicher machte, wie es weitergehen sollte. Ich denke, dass wir als Künstler und Bürger unserer Welt heute mehr denn je ›Beethovenianer‹ sein müssen: Dass wir an den Ketten rütteln, unsere Fäuste ballen und kritisch über das nachzudenken müssen, was um uns herum geschieht.
Elim Chan in Aktion – Ein Einblick in ihre Beethoven-Interpretation
Die fünfte Sinfonie beginnt mit dem wohl berühmtesten Drei-Noten-Motiv. Wie verstehen Sie diese Komposition, haben Sie ein Bild oder eine Botschaft, die Sie darin hören und die Sie einem Orchester bei der Probe mitteilen?
Ich liebe es, diese Sinfonie aufzuführen, und sie gehört schon seit langem zu meinem Repertoire. Ich fühle mich mit der Leidenschaft, der Kraft und den Emotionen in der Musik sehr verbunden und versuche immer, den Musiker:innen meine eigenen tiefen Gefühle zu diesem Werk zu vermitteln. Viele im Publikum werden bereits vertraut mit dem Stück sein, andere werden sie zum ersten Mal hören. Daher ist es mir sehr wichtig, dass die Kammerakademie Potsdam und ich als Team allen Zuhörer:innen ein frisches Gefühl für die Dringlichkeit vermitteln, die Beethoven so tief empfunden haben muss, als er diese beeindruckende Sinfonie komponierte. Ich mag es, wenn die Musiker:innen dieses Stück nicht als ›Museumsstück‹ aufführen, bei dem wir all die Aufführungstraditionen Traditionen verehren müssen. Stattdessen möchte ich die Musiker:innen auffordern darüber nachdenken, wie Beethoven sich gefühlt hat – was sie tun und wie sie spielen würden, wenn sie wütend, voller Zorn und ungeduldig wären angesichts all der Verwirrung und Dunkelheit um sie herum. Wir müssen dies als ein leidenschaftliches Plädoyer für Hoffnung, Freude und Triumph spielen. Jede Note muss lebendig und voller Bedeutung sein.
Das Eröffnungskonzert findet gleichzeitig in der Oper Bonn und unter freiem Himmel in der Innenstadt statt – Sie und das Orchester wechseln an dem Abend die Orte. Ändert sich etwas an Ihrer Herangehensweise, wenn Sie auf einer Open-Air-Bühne auftreten?
Ich werde mich wie immer auf die Musik konzentrieren und dafür sorgen, dass sich das Orchester nach dem Ortswechsel wohlfühlt und bereit ist für das, was vor ihm liegt! Das ist sicherlich eine sehr aufregende Aussicht und etwas, das nicht oft vorkommt!
Sie reisen durch die Welt und dirigieren die bekanntesten Orchester in vielen Ländern. Gibt es einen Ort, dem Sie sich besonders verbunden fühlen, musikalisch oder anderweitig?
Ich glaube, ich muss sagen, dass das Podium selbst mein Zuhause ist. Egal, wo auf der Welt ich mich befinde, sobald ich auf der Bühne stehe, bin ich in meinem Element und vollkommen im Einklang mit mir selbst!
Sie sind bekannt als die erste Dirigentin, die den renommierten Donatella-Flick-Dirigierwettbewerb des LSO gewonnen hat. Haben Sie das Gefühl, dass sich der Dirigentenberuf in Bezug auf die Gleichstellung der Geschlechter weiterentwickelt hat?
Ich kann natürlich nur aus meiner persönlichen Erfahrung sprechen, denn jeder Mensch ist anders, ob Mann oder Frau, und ich kann auch nicht für alle anderen Dirigentinnen sprechen. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass man nicht sein kann, was man nicht sieht, und deshalb bin ich froh, auf dem Podium zu stehen. Ich bin mir bewusst, was für ein Privileg das ist, nicht nur als Frau, sondern auch als jemand mit asiatischer Herkunft. Ich hoffe, dass die Sichtbarkeit meiner Arbeit andere Frauen dazu inspiriert, eine Karriere als Dirigentin in Betracht zu ziehen. Ich bleibe den bahnbrechenden Dirigentinnen, die vor mir waren, äußerst dankbar und bin auch immer darauf bedacht, durch meine Arbeit Gleichberechtigung, Zugang und Vielfalt zu verbessern.
Elim Chan im Beethovenfest 2024
, Oper Bonn
Eröffnungskonzert: Beethoven & MEUTE
MEUTE, Kammerakademie Potsdam, Streichquartett des Ensemble Resonanz
MEUTE, Beethoven
, Münsterplatz
Münsterplatz Open Air: MEUTE & Beethoven
Kammerakademie Potsdam, MEUTE, Elim Chan
Beethoven, MEUTE