Nils Mönkemeyer ist bereits seit langem über sein eigenes Festival »Klassik für alle« mit Bonn verbunden. Im diesjährigen Beethovenfest bringt er seine Ideen für mehr Teilhabe durch das Patenticket ein und spielt zwei ganz unterschiedliche Konzerte.
Was verbindet Dich mit der Bratsche, was reizt Dich daran – warum hast Du dieses Instrument gewählt?
Ich weiß nicht so genau, ob man selber eigentlich das Instrument wählt oder das Instrument einen wählt. Was ich mit der Musik sage, das entspricht quasi dem, wie ich innerlich Musik höre. Das kommt dann durch das Instrument heraus und andere Menschen hören das. Und dazwischen muss es eine Übereinstimmung geben. Wie ich Musik wahrnehme, ist so wie der Klang der Bratsche: ein bisschen dunkel und manchmal auch ein bisschen träumerisch. Die Bratsche ist nie ganz direkt, sondern eigentlich sehr freundlich.
Wie fühlt sich das Bratsche spielen an, auch im Vergleich zur Geige?
Man hält und spielt die Bratsche genauso wie die Geige. Bei der Geige ist es zumindest für mich so: Ich habe relativ lange Arme. Wenn ich den Arm ausstrecke und eine Bratsche hineinlege, dann ist alles an der richtigen Stelle. Bei der Geige wusste ich immer nicht, wo ich mit meinen Armen und mit meinem Körper hin soll. Darum habe ich mich immer ein bisschen gefühlt wie ein Riese mit einem Miniaturinstrument. Und dann habe ich die Bratsche bekommen! Das ist ein bisschen wie beim Cello: die tiefen Töne erzeugen ja so eine Art Vibration. Wenn ich spiele, dann spüre ich das am ganzen Körper und das finde ich sehr, sehr schön. Darum war für mich die Bratsche viel physischer und körperlicher als die Geige.
Worauf freust Du dich am meisten, wenn Du an Deine zwei Konzerte im Festival denkst?
Da gibt es nicht etwas Spezielles, sondern ich freue mich sehr, Teil des Beethovenfests zu sein. Ich finde, mit dieser Erneuerung, die hier stattgefunden hat, gibt es so viele aufregende Programme und einen Geist der Offenheit und auch des Suchens. Das finde ich total spannend. Ich wünsche mir natürlich, dass ich Teil davon bin, dass etwas Neues passiert, dass etwas für das Publikum kreiert wird, was vielleicht vorher noch nicht in dieser Form da war, dass die Menschen etwas mitnehmen. Dieses Jahr ist ja auch die Demokratie das Thema, also das Miteinander – das ist das, worauf ich mich am meisten freue, denn alle Konzerte haben diesen Aspekt von Gemeinsamkeit und von gemeinsamem Erleben.
Am Festival-Abschlusstag wirst Du im Musikfest der Demokratie auftreten, im Bonner Regierungsviertel, an Orten, wo sonst keine Musik zu hören ist. Wie stellst Du Dir es vor, im UN-Hochhaus zu spielen? Was macht so ein Ort mit einem Konzert?
Es wird interessant, denn das ist ja auch ein Teil von Bonn – diese starke Präsenz dessen, dass hier einmal die Hauptstadt war. Es gibt immer noch ganz viele Regierungsinstitutionen hier. Ich finde, alleine dadurch, dass man durch diese Gebäude geht, entsteht ein Bewusstsein dafür, in was für einer Geschichte wir stehen. Und auch dafür, dass die Stadt seit Beginn eine Stadt der Demokratie war. Das ist etwas ganz Besonderes.
Würdest Du sagen, dass die Musik oder die Kultur etwas beiträgt zur demokratischen Kultur in der Gesellschaft?
Es gibt vielleicht nichts Demokratischeres als die Musik. Musik hat ja diesen unglaublichen Vorteil, außerhalb des Sprachraums zu beginnen. Wenn ich mich zum Beispiel mit Personen aus dem Publikum unterhalte, gibt es garantiert Dinge, die uns trennen. Über die Musik wischt man das einfach beiseite und es spielt überhaupt keine Rolle. Deswegen finde ich, dass der Konzertsaal im tiefsten Sinne demokratisch ist. Ich denke, es ist ein schönes Symbol, dass am Musikfest der Demokratie Musik an alle diese Orte gebracht wird, die durch das Ziel geprägt sind, gemeinsam einen Konsens zu finden.
Du engagierst Dich dafür, dass Musik noch demokratischer und zugänglicher wird für Menschen, wo der Zugang dazu nicht so selbstverständlich ist. Was motiviert Dich in dieser Arbeit?
Eine Zeit lang hat es mich sehr genervt, dass es hinter den Kulissen des Musikmarkts viel Larmoyanz gab. Nach dem Motto, ›die Leute kommen nicht mehr in die Konzerte‹ und so weiter. Ich habe gedacht: Jetzt mal genug mit diesem Gemecker. Wir müssen einfach etwas tun. Zurzeit wohne ich in München. Diese Stadt ist extrem teuer. Das war mein erster Gedanke: Die Kosten für einen Konzertbesuch sind für viele Menschen zu hoch. Daher finde ich das Pay What You Can-Preismodell für die Konzerte im Musikfest der Demokratie eine sehr schöne Idee. So kann man als Konzertbesucher:in sagen: Ich gebe das was ich kann. Das kann dann 5€ oder 50€ sein. Das ist im Prinzip auch die Idee der Patentickets, die ich im Projekt »Klassik für alle« mit der Caritas in Bonn entwickelt habe. Patentickets sind Konzerttickets für Menschen aus dem Kundenkreis der Caritas. Jede Person oder Firma kann Tickets spenden, und über das System werden sie dann an die nachweislich bedürftigen Interessent:innen verteilt. Auch im Beethovenfest dieses Jahr wird es für drei Konzerte die Möglichkeit geben, Patentickets zu spenden, darunter auch mein Konzert in Bad Honnef.
Im Kursaal Bad Honnef spielst Du barocke Geigenmusik. Worum geht es Dir bei diesem Programm? Gibt es Herausforderungen, die Geigensonaten auf die Bratsche zu übertragen?
In dem Konzert in Bad Honnef möchte ich gerne Außenseitern der Musikgeschichte ein Podest bieten. Man hat in der Barockzeit die Opulenz sehr gefeiert. Das hat etwas gemacht mit den Leuten, glaube ich. Es ist eine Zeit der Lebenslust. Gleichzeitig gab es in der Musik viele Regeln. Aber wo es viele Regeln gibt, gibt es auch die Regelbrecher. Johann Sebastian Bach ist vielleicht das berühmteste Beispiel: Er hat die Regeln gekonnt beherrscht, aber auch gebrochen und daraus etwas komplett Neues geschaffen. Dass ich Bratsche spiele, ist eigentlich eher Nebensache. Ich kriege das auch auf der Bratsche hin!
Dein zweites Projekt im Musikfest der Demokratie machst Du mit der Musikinitiative Musethica e. V. Was macht diese Organisation und wie kam es zu der Kooperation in Bonn?
Musethica agiert in mehreren Ländern. Ein Ziel ist die Nachwuchsförderung. Das heißt, etabliertere Seniors spielen zusammen mit jüngeren Musiker:innen. So ergibt sich ein generationeller Austausch im Sinne von Lernen und Lehren und ein Musizieren auf Augenhöhe. Die Kammermusik schafft quasi ein Miteinander. Ein weiterer Grundgedanke von Musethica ist: Wenn ich als junge:r Musiker:in anfange zu spielen, muss ich lernen, auf der Bühne zu stehen. Musethica bietet diese Konzerterfahrungen und verbindet das damit, in soziale Einrichtungen zu gehen und dort für Menschen zu spielen, die vielleicht nicht ins Konzert kommen können – ein wunderbarer Win-Win-Effekt. Ich fand es sofort sehr reizvoll, da mitzumachen. Und da ich in Bonn mit der Caritas sehr viel zusammengearbeitet habe und dieses Netzwerk hier zur Verfügung hatte, habe ich gedacht: Perfekt, daraus können wir etwas machen.
Nils Mönkemeyer im Festival
, Kursaal Bad Honnef
Nils Mönkemeyer & Friends
Nils Mönkemeyer, Andreas Arend, Matthias Bergmann
Vivaldi, Corelli, Tartini
, UN/»Langer Eugen«
Musethica
Neuma Quartet, Nils Mönkemeyer, Avri Levitan
Montgomery, Beethoven, Schubert