Zwei Ensembles wurden 2024 zur Weltspitze der Neuen Musik gekürt – gemeinsam haben sie einen Teil ihres Namens und die Leidenschaft zum Experiment. Wir haben das Broken Frames Syndicate aus Frankfurt und Frames Percussion aus Barcelona gefragt, was uns beim gemeinsamen Konzert im Beethovenfest erwartet.
Stellt euer Ensemble kurz vor: Woran erkennt man euch und eure Konzerte, und warum macht ihr Neue Musik?
Broken Frames Syndicate: Wir sind eine energetische Gruppe, neugierig, experimentierfreudig und immer mit großer Spielfreude auf der Bühne zu erleben. Der Anspruch an uns selbst ist klar: wir wollen diesen Spaß und die Leidenschaft für die aktuelle Musik an unser Publikum weitergeben, sodass alle voller neuer Eindrücke den Saal wieder verlassen.
Die Arbeit hinter der Bühne ist aber mindestens genauso intensiv – denn uns liegt sehr viel an den konzeptionellen Inhalten, die wir auf die Bühne bringen. Unsere Programme haben immer einen größeren Kontext, eine Frage oder ein politisches Thema. Dass (unsere) Musik und Kunst beides kann – facettenreiche Emotion und reflektierte Details – macht das Syndicate so besonders.
Frames Percussion: Wir versuchen immer, das Publikum im Auge zu behalten, wenn wir unsere Konzerte planen. Unsere Gruppe ist für ihre innovative und freudige Herangehensweise an Neue Musik bekannt. Gleichzeitig ist uns ein hohes Maß an Vorbereitung und Respekt für die Musik wichtig.
Da das Schlagwerk bei uns im Zentrum steht, war es für uns die logischste Wahl, neue Musik zu machen. Die Welt der Percussion hat in der westlichen akademischen Musik seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einen unglaublichen Aufschwung erlebt, und die Rolle der Schlagwerker in den Ensembles ist viel aktiver geworden als in der Vergangenheit.
Da wir nicht gut darin sind, Pausen zu zählen, um im Orchester eine einsame Note auf der Triangel zu spielen, haben wir Frames Percussion gegründet um zu versuchen, so viel Spaß wie möglich zu haben.
Wenn ihr Beethoven die Musik des 21. Jahrhunderts erklären müsstet – wie würdet ihr das machen?
Broken Frames Syndicate: Wenn Beethoven seine Musik Claudio Monteverdi – der wiederum 200 Jahre vor ihm gelebt hat – erklären sollte, würden seine und unsere Antwort wahrscheinlich gar nicht so unterschiedlich ausfallen. Schließlich war er einer der revolutionärsten Neudenker seiner Zeit und kennt sich mit Avantgarde bestens aus: Es geht um die Freude am Ungewohnten, darum, neue Wege zu beschreiten. Dabei muss man auch mit Widerstand rechnen. Damals wie heute. Wir könnten ihm also gar nicht so viel Neues erzählen. Außer vielleicht, wie international unsere Einflüsse und wie unterschiedlich unsere musikalischen Freundschaften heutzutage sind. Dass es bei unserem Konzert beim Beethovenfest Bonn in ein und demselben Programm zuerst um eine iranische Mutter geht, während es etwas später nach chinesischer Großstadt klingt und plötzlich George Lewis aus dem Klavier zu schreien scheint. Wäre er da, hätte Beethoven sicherlich Freude daran.
Frames Percussion: Wir würden ihm sagen, dass die schiere Menge der heute produzierten Musik zwar überwältigend sein kann, dass er aber, wenn er neugierig und aufgeschlossen bleibt, sicher etwas finden wird, das ihn umhaut oder bewegt.
Es gibt heute sogar Komponist:innen, die an Gehörlose denken und Musik schreiben, die wir durch unsere Zähne, unseren Körper oder unsere Augen hören können – das Hörproblem ist im Griff, kein Grund zur Sorge!
Nennt uns euer Lieblingsstück in eurem Konzert beim Beethovenfest und erzählt, worauf wir dabei neugierig sein können.
Broken Frames Syndicate: Natürlich sind alle Stücke im Programm Lieblingsstücke. Aber ein Stück hat tatsächlich eine ganz besondere Bedeutung für uns: das sehr intime »MOM« von Golnaz Shariatzadeh, das sie Anfang des Jahres für uns geschrieben hat, als wir uns auf unserer USA-Tour an der Harvard University kennengelernt haben. Golnaz kombiniert hier sehr feine und komplexe Klänge (die zum Teil von Beethovens Klaviersonate Nr. 31 beeinflusst sind) mit einer selbst gezeichneten Video-Animation und spricht über äußerst persönliche Themen. Das berührt uns sehr und wir freuen uns, ein so starkes und aktuelles Stück nach Bonn mitbringen zu können.
Frames Percussion: Unser Lieblingsstück ist »Opera (forse)«, übersetzt: »Oper (vielleicht)« des italienischen Komponisten Francesco Filidei. Es kommt nicht so häufig vor, dass Komponist:innen humorvolle Elemente in ihre Werke einbringen – das bringt eine frische Brise in die Neue Musik, die oft als sehr ›ernst‹ gesehen wird. Hinzu kommt, dass für dieses Stück mehr als 60 Objekte/Instrumente und mehr als 20 verschiedene Vogelstimmen benötigt werden, die dafür sorgen, dass jeder Moment in »Opera (forse)« uns mit der Entdeckung neuer unerwarteter Klänge überrascht.
Konzert im Festival 2024
, Pantheon Theater
Frames
Frames Percussion, Broken Frames Syndicate, Laurenz Leky
Wolfe, Saunders, Filidei