Das Beethovenfest ist ein Ort für alle Menschen: Für und mit lokalen Communities gestalten wir besondere Konzerterlebnisse, die ihre Anliegen und Lebensrealitäten miteinbeziehen. Das Künstlerkollektiv Un-Label entwickelt für das Beethovenfest 2024 ein inklusives Musiktheater über Schuberts »Winterreise«.
»Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh’ ich wieder aus.« Eisige Welten der Einsamkeit umgeben die herumirrende Figur in Franz Schuberts Liederzyklus »Winterreise«. In diese Gefühlswelten taucht das neue Projekt »24 Hebel für die Welt – Berichte aus der ›Winterreise‹« der Un-Label Performing Arts Company ein. Die Organisation arbeitet seit zehn Jahren daran, inklusive Theaterstrukturen für ein mixed-abled Ensemble, also Künstler:innen mit und ohne Behinderungen, aufzubauen. Diversität und Barrierefreiheit sind die Standards des Kollektivs – vor, hinter und auf der Bühne, für Performende wie für das Publikum. Nils Rottgardt, künstlerischer Leiter von Un-Label, hat dabei immer unterschiedliche Behinderungsperspektiven im Blick.
Vier Performende mit und ohne Behinderung beschäftigen sich mit Schuberts Werk. »Das Ensemble tritt mit sehr unterschiedlichen künstlerischen Hintergründen für diesen Entwicklungsprozess an«, sagt Nils Rottgardt. Toni Ming Geiger und Barbara Schachtner stammen aus der Welt der Musik, Jonas Relitzki ist Schauspieler und Leonard Grobien arbeitet als Filmemacher und Schauspieler. Sie bringen ihre individuellen ästhetischen Ansätze für das spartenübergreifende Projekt mit. Nils Rottgardt erklärt: »Die Performenden setzen ihre Singstimme nach ihren jeweiligen Kenntnissen ein. Wir verwenden Schuberts Komposition, aber auch die ihr zugrundeliegenden Texte von Wilhelm Müller als Material, das alle vier in verschiedenen Varianten singen und spielen.«
Für die szenische Umsetzung dieser experimentellen Annäherung wurde Friederike Blum ins Team geholt. Die junge Musiktheaterregisseurin erhielt kürzlich den renommierten Götz-Friedrich-Preis für Regienachwuchs.
Friederike Blum unterstreicht: »Die ›Winterreise‹ spricht durch ihre Humanität sehr viele Menschen an.« Als Ausgangspunkt der Arbeit ist ihr die menschliche Botschaft des Zyklus wichtig: »Die Radikalität des Werks liegt auch in einer bestimmten Ehrlichkeit mit sich selbst. Diese Grunderfahrung, als Mensch allein zu sein – mit sich, mit der eigenen Gefühlswelt – ist, was uns interessiert. Wir gehen dabei von den persönlichen Erfahrungen der vier Performenden aus.« In intensiven Workshop-Phasen setzt sich das Konzept Stück für Stück zusammen. Dabei werden auch Assoziationen und Reaktionen der Performenden auf das Material mit eingebunden, die »auf ein collagenhaftes Ergebnis zielen«, so Friederike Blum.
Un-Label folgt in seinen Projekten der »Aesthetics of Access«: Barrierefreiheit wird als künstlerisches Mittel von Anfang an ins Werk eingeflochten. Das können etwa Anteile von künstlerischer Audiodeskription, Leichter Sprache oder Gebärdensprache sein. Sie treten gleichwertig zur Musik, zum Licht, zur Stimme hinzu. »Unsere Bühnenlandschaft schafft Zugänge zu klassischer Musik aus einem Jetzt«, sagt Nils Rottgardt. »Wir wollen möglichst viele ansprechen: Menschen, die noch nie die ›Winterreise‹ gehört haben, aber ebenso ein Publikum mit Vorbildung. Auch deswegen wird diese Produktion für viele Behinderungsperspektiven zugänglich sein.« Der künstlerische Freiraum ermöglicht Inklusion und Teilhabe auf einem neuen Level.
Die Aufführungen im Festival 2024
, Brotfabrik
24 Hebel für die Welt
Friederike Blum
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24 Hebel für die Welt
Friederike Blum