»Hier entsteht gerade etwas Neues«

Seit September 2022 ist der Bonner Pianist Fabian Müller Vorsitzender des Freundeskreises Beethovenfest Bonn. Wir sind froh und auch stolz, dass der ebenso brillante Künstler wie zugewandte Mensch mit diesem Engagement so deutlich seine Verbundenheit mit dem Beethovenfest zeigt. Im Festival 2024 ist er in gleich fünf Konzerten zu erleben.

Seine lokale Verwurzelung steht bei Fabian Müller nicht im Widerspruch zu seiner Karriere, die in der letzten Zeit auch international an Fahrt aufnimmt. Beim diesjährigen Beethovenfest werden wir ihn nicht nur an vier Abenden mit sämtlichen Klaviersonaten Ludwig van Beethovens, sondern auch erstmals als Dirigent mit seinem neugegründeten Ensemble The Trinity Orchestra erleben.

Wir treffen Fabian Müller für ein Zoom-Gespräch an einem jener ungewöhnlich strengen Wintertage Mitte Januar. Durch das Fenster hinter ihm kann man in den verschneiten Garten blicken. Gerade kommt er von einem Schneespaziergang mit seiner kleinen Tochter zurück.

Da musste ich gar nicht lange nachdenken: Zum einen habe ich das Gefühl, dass mit Steven Walter und seinem Team künstlerisch gerade etwas Neues entsteht, und es macht sehr viel Spaß, Teil dieser Aufbruchsstimmung zu sein. Zum anderen ist es mir ein großes Anliegen, auch in meiner Heimat, im Rheinland, einen Einfluss auf die Musik und auf die Kunst zu haben. Ich freue mich natürlich, dass ich auch international immer mehr zu tun habe, aber ständig überall zu konzertieren, finde ich nicht ökologisch nachhaltig und auch zu wenig gewinnbringend für mich als Menschen, weil man keine Beziehung zu den Menschen vor Ort aufbauen kann.

Ich finde es gut, dass die Position des Vorsitzenden an einen Musiker übergeben wurde, um zu zeigen, wie sehr es hier um Musik geht. Und ich möchte so oft wie möglich mit den Leuten in Kontakt kommen und auch werben für den Verein, sozusagen als Vorkämpfer für die ganze Gruppe. Eigentlich sehe ich aber jedes einzelne Mitglied dieses Vereins als genauso wichtigen Bestandteil wie mich selber. Wir sind eben eine große Gruppe von Menschen, die sich dafür einsetzen will, dass es bergauf geht für die Musik in Bonn.

Das ist richtig. Mir gefallen auch die Veranstaltungen, die übers Jahr und unabhängig vom Beethovenfest stattfinden, bei denen sich die Freundeskreis-Mitglieder zu Konzerten im kleineren Kreis oder auch zum Sommerfest treffen, und man das Gefühl hat, dass der Verein Teil eines lebendigen Musiklebens in Bonn ist. Dieses Musikleben bedeutet nicht einfach nur Konsum von Kunst, sondern wird getrieben vom Wunsch nach Zusammensein, Zusammengestalten und Zugehörigkeit zu einer ›kreativen Szene‹ der Stadt.

Ja, auf jeden Fall: Man denkt vielleicht manchmal, Beethovens Musik sei eine abgeschlossene Epoche und unser Interesse dafür ist nur noch ein Echo. Aber ich glaube, die Musik entwickelt sich wie an einem Strang entlang weiter. Die in der Vergangenheit entstandene Musik heute zu erleben und auf sich wirken zu lassen, ist genauso spannend und lohnend wie zur Zeit ihrer Entstehung. Und an den Musikerinnen und Musikern, die sie spielen, und an den Menschen, die die Konzerte ermöglichen, nah dran zu sein und an ihrer gegenwärtigen Gestaltung teilzuhaben und mitzuwirken, macht einfach sehr viel mehr Spaß, als das Festival nur als Gast zu besuchen.

Ich hoffe, dass wir weiter wachsen und auch sozusagen übergreifend wachsen. Das Schöne ist, dass es so viele unterschiedliche Player in der Bonner Kultur gibt. Ich freue mich aber, wenn das Beethovenfest, das ich auch international als Speerspitze dieses Angebotes sehe, noch übergreifender Musikliebhaberinnen und Musikliebhaber anspricht und auch Menschen erreicht, die bisher gar nicht viel mit Musik zu tun hatten, aber trotzdem Teil dieser Gemeinschaft sein möchten – auch aus Freude nicht nur an jeder Note Musik, sondern an diesen gemeinsam in der Gruppe erlebten kreativen Momenten. Das wirkt dann auch integrativ in die Stadtgesellschaft hinein.

Ich finde, große Projekte bringen die Menschen zusammen. Auf die Musik von Beethoven etwa kann man zusammen zugehen, auch wenn man unterschiedliche Meinungen und Herkunftsgeschichten hat. Man kann auch mal streiten, aber man hat eine große schöne Sache – die Musik –, an die man zusammen glaubt und die einem zusammen Freude macht. Deswegen ist ein Konzertbesuch eine ganz direkte Demokratiemaßnahme. Ich wünschte, ich könnte die ganze Welt verbessern. Aber man hat auch eine große Verantwortung dafür, ganz konkret in seiner Stadt, bei sich zu Hause dafür zu sorgen, dass Frieden und Toleranz erhalten bleiben. Projekte wie das Beethovenfest und sein Freundeskreis sind dafür ein ganz wichtiger zivilgesellschaftlicher Anker.

Der Hintergrund ist, dass ich von Daniel Barenboim eingeladen wurde, alle Beethoven-Sonaten im Pierre Boulez Saal in Berlin zu spielen. Es ist natürlich eine riesige Ehre, dass er mir da sozusagen sein Erbe anvertraut, er selbst spielt ja fast gar kein Klavier mehr. Und unbedingt wollte ich diesen Zyklus dann auch nach Bonn bringen, wobei ich mich hier für die Reihenfolge vor allem vom Raum habe inspirieren lassen: Zum Beispiel die Jagd-Sonate (Nr. 18) in den Rittersaal der Godesburg, die helle, humanistische Waldsteinsonate (Nr. 21) in den Plenarsaal.

Für das Dirigieren schlägt mein Herz schon lange. Mein eigenes Orchester zu gründen war immer ein verrückter Traum. Aber jetzt habe ich es einfach getan, und es weckt alle meine Leidenschaften auf einmal, dass wir hier beim Beethovenfest eine Beethoven- Sinfonie aufführen können. Der Künstler Daniel Barenboim war mir immer ein Vorbild, aber dass ich mit Anfang Dreißig in seine Fußstapfen treten würde und sowohl alle Beethoven-Sonaten als auch dessen Sinfonien aufführen werde, hätte ich mir niemals ausmalen können. Es geht mir aber nicht um ein theoretisches Ziel oder einen abstrakten Rekord. Nur die Tatsache, dass ich mich jeden Tag mit Beethovens Musik beschäftigen kann, gibt mir eine große innere Freude, aber auch Momente von sehnsüchtiger Friedlichkeit.