Diamanda La Berge Dramm Violine, Stimme & Konzept
Arno Verbruggen Choreografie & Performance
Maison the Faux Visuelles Konzept
28.8.– 27.9. 2025
Diamanda La Berge Dramm Violine, Stimme & Konzept
Arno Verbruggen Choreografie & Performance
Maison the Faux Visuelles Konzept
»Triptych Triple Trio«
Klassische Solowerke für Violine von Philip Glass, Johann Sebastian Bach und Niccolò Paganini, Eigenkompositionen von Diamanda La Berge Dramm, Mode und Tanz
Eine Uraufführung, die eine Woche vor der Premiere finalisiert wurde. Das ist nicht schlechtes Zeitmanagement, das ist bewusst gesuchte Konfrontation. Was ist möglich? Wie weit können wir gehen? Diese Fragen dienten Diamanda La Berge Dramm, zusammen mit Tänzer Arno Verbruggen und der Kreativagentur Maison the Faux, als Leitfaden im Entstehungsprozess von »Triptych Triple Trio«. Wer mit La Berge Dramms Schaffen vertraut ist, wird erkennen, dass ihr diese Fragen nicht neu sind, sondern verankert in ihrer künstlerischen DNA.
La Berge Dramm arbeitet mit radikaler Offenheit dem Ergebnis gegenüber. Sie unterzieht ihr Instrument, die Violine, einer kontinuierlichen Bestandsaufnahme, testet ihre Grenzen, reizt sie geradezu aus. Sie erforscht ihre Stimme und unermüdlich die Möglichkeiten von Klanggestaltung. Und sie lotet die Grenzen interdisziplinärer Zusammenarbeit aus. Wie weit kann sie sich in andere Kunstformen hinein ausdehnen? Wie weit muss sie sich von der Musik entfernen, um mit neuen Ansätzen zu ihr zurückzukehren?
Radikale Offenheit dem Ergebnis gegenüber liegt auch der heute gezeigten Performance Triptych Triple Trio zugrunde und wird von Arno Verbruggen und Maison the Faux gleichermaßen verfolgt. Alle drei haben in unterschiedlichen Konstellationen bereits miteinander gearbeitet, aber es ist das erste Mal, dass sie im selben Raum zusammenkommen.
»For me, the reason to enter into a collaboration is always to take apart sound, and to feel someone analysing it with me, reading it with me. It’s a very grateful position to be in because this parallel interpretation arises which can translate very directly back into hearing it anew. That’s a happy feedback loop for fresh ears.«
»Für mich ist der Grund, eine Zusammenarbeit einzugehen, immer der, den Klang gemeinsam zu zerlegen und das Gefühl zu haben, dass jemand ihn mit mir analysiert, ihn mit mir liest. Das ist sehr lohnend, denn so entsteht eine parallele Interpretation, die einen neuen Zugang ermöglicht. Das ist eine gute Rückkopplung für frisches Hören.« – Diamanda La Berge Dramm
Drei Künstler:innen, Repertoire aus drei unterschiedlichen Epochen, drei Aufführungen zu drei unterschiedlichen Zeiten, drei Körper und drei Klangkörper. Die Zahl Drei ist weit mehr, als die Anzahl der beteiligten Künstler:innen. Sie ist Methode, Programm, Konzept, ›idee fixe‹.
»Three has become our methodology and that feels nice because sometimes, especially in such an open context of a research, you can easily get lost in what you want to make. It’s nice that you can just go back to three. Wherever things are going, you can go back: ›Yeah, but what if ... three?‹«
»Drei ist zu unserem künstlerischen Prinzip geworden. Das fühlt sich gut an, besonders im Kontext einer so offenen Recherche, wo man schnell das Ziel aus den Augen verlieren kann. Es ist schön, dass man dann immer wieder zum Konzept Drei zurückkehren kann. Egal, wohin wir uns entwickeln: wir können innehalten und uns fragen: ›Ja, aber was, wenn ... drei?‹« – Arno Verbruggen
In »Triptych Triple Trio« geht es nicht um Religion, auch wenn die Zahl Drei zu einer Vielzahl religiöser Assoziationen einlädt und diese kaum zu vermeiden sind. Ist Kunst nicht für viele Menschen Religion? Ein Konzert wie eine Messe? La Berge Dramm erkundet das Heilige. Die heiligen – weil unerschütterlichen – Vorstellungen, die ihrer Identität als Violinistin anhaften. Was macht eine Violinistin aus? Welche Rollenbilder muss sie erfüllen? Diese Fragen sind eng verbunden mit der Frage, wie weit sie gehen kann. Wie ›unorthodox‹ kann sie ihr Instrument spielen, um noch als Violinistin verstanden zu werden? Wie wichtig kann Mode als Bestandteil ihrer Aufführungen werden, ohne die Musik zu überschatten? Fragen, die wie Engelchen und Teufelchen auf ihren Schultern sitzen und als Reliquien – drei Stück natürlich – Eingang in die Produktion gefunden haben: Engelsflügel, Teufelshörner und Violine.
Alles fing mit der Ostgalerie der Bundeskunsthalle Bonn an. Das Beethovenfest bot La Berge Dramm im Rahmen ihres Fellowships an, den Raum im September eine Woche lang zu nutzen. Was wolle sie machen? Radikale Offenheit dem Ergebnis gegenüber auch seitens des Veranstalters. Was ist möglich und wie weit können wir gehen – diese Fragen galten zuerst dem Raum. Um sich selbst ein Regelwerk zu geben, brachten die Künstler:innen die Drei ins Spiel. Der Raum ist nicht einfach ein Ort, er ist der dritte Körper neben La Berge Dramm und Verbruggen. Er ist eine Installation, die sie mit ihren Körpern drei Mal betreten und bespielen. Der Raum ist auch der dritte Klangkörper, neben Violine und Stimme. Die Ostgalerie hat, wie jeder Raum, ihre eigene Akustik. Sie antwortet auf die Musik und die Sounds, die La Berge Dramm produziert, mit Echo und Hall. Es entsteht ein Gespräch, das nie abbricht und je nach Position der Körper (nicht nur der Künstler:innen, sondern auch der Zuschauer:innen) unterschiedlich verläuft.
La Berge Dramm, Verbruggen und Maison the Faux arbeiten ohne Hierarchie, keine Disziplin dominiert. Das ist keine Selbstverständlichkeit, steht doch meistens eine Kunstform im Mittelpunkt und wird, wenn überhaupt, von einer anderen begleitet.
»There’s a lot of mutual trust, and then you can do something like this, that feels very scary. When I see Arno moving, it is a mirror of the visual language that I could create, and when I hear Diamanda play it’s a vibrational representation of what I see in my head. We all come from the same planet. Even though it sounds like very open what we’re doing, it’s based on years and years of building a DNA together.«
»Zwischen uns herrscht sehr viel Vertrauen. Nur so können wir uns auf ein Projekt einlassen, das sich beängstigend anfühlt. In Arnos Bewegungen spiegelt sich die visuelle Sprache, die ich entwickeln könnte. Und wenn ich Diamanda spielen höre, entsprechen die Frequenzen dem, was ich mir vorstelle. Wir alle kommen vom selben Planeten. Obwohl das, was wir tun, sehr offen erscheint, basiert es doch auf vielen Jahren, in denen wir eine gemeinsame DNA aufgebaut haben.«
– Joris Suk, Maison the Faux
Interdisziplinäres Arbeiten ist, im besten Fall, ein ständiger Übersetzungsprozess. Wie kann La Berge Dramm Bewegung und Raum in Musik übersetzen? Wie können Verbruggen und Maison the Faux Musik in Bewegung, Raum und Kostüme übersetzen? »Triptych Triple Trio« ist eine andauernde Erforschung: in welchem Verhältnis stehen Musik, Tanz und visuelles Konzept zueinander? Die Aufführungen sind nicht die Antwort, sie sind ein Zwischenergebnis. Die Künstler:innen öffnen sich den Zuschauer:innen, die ihre eigenen Antworten entwickeln und das Erlebte für sich übersetzen können.
»I think it’s in the interdisciplinary where new seeds are planted. Not just doing different things simultaneously, but translating in real time. That’s why we need to create a situation where Arno is not dancing to Bach, but interpreting alongside me.«
»Ich denke, dass neue Ideen ihren Ursprung in der Interdisziplinarität haben. Es geht nicht darum, gleichzeitig verschiedene Dinge zu tun, sondern in Echtzeit zwischen diesen zu übersetzen. Deswegen müssen wir eine Situation schaffen, in der Arno nicht einfach zu Bach tanzt, sondern Bach mit mir zusammen interpretiert.«
– Diamanda La Berge Dramm
»I think with such a universal topic as the number three, people will be able to see whatever they want to see in it. That is very beautiful.«
»Ich denke, bei einem so universellen Thema wie der Zahl Drei können die Menschen sehen, was immer sie darin sehen wollen. Das ist sehr schön.« – Arno Verbruggen
»Hopefully, the audience just wanders in and disappears and sees a lot of things that they can place in their own perspective.«
»Ich hoffe, dass das Publikum einfach hereinkommt, abtaucht und zahlreiche Dinge sieht, die es dann in eigene Perspektiven übertragen kann.« – Joris Suk, Maison the Faux
Wie weit Diamanda La Berge Dramm, Arno Verbruggen und Maison the Faux gehen, kann dieser Text nicht beantworten, denn er entstand nicht eine Woche vor den Aufführungen in der Bundeskunsthalle. Die Fragen danach, was möglich ist und wie weit wir gehen können, dehnen sich somit sogar bis auf die Ebene dieses Programmhefts aus. Ist es möglich, eine Produktion zu vermitteln, die im Prozess begriffen ist und gar nicht den Anspruch hat, ›final‹ zu sein? Wieviel Offenheit verträgt ein Programmhefttext, ohne seine Absicht zu verfehlen? Doch genauso wie ein klassisches Konzertformat nicht zu Künstler:innen wie La Berge Dramm, Verbruggen und Maison the Faux passt, passt ein klassischer Programmhefttext nicht zu ihnen. »Triptych Triple Trio« ist eine allumfassende Übung in radikaler Offenheit dem Ergebnis gegenüber. Wie weit können Sie mitgehen, liebe Zuschauer:innen?
Text: Marthe Lisson
Wir – das Beethovenfest Bonn – laden ein, in einem offenen und respektvollen Miteinander Beethovenfeste zu feiern. Dafür wünschen wir uns Achtsamkeit im Umgang miteinander: vor, hinter und auf der Bühne.
Für möglicherweise auftretende Fälle von Grenzüberschreitung ist ein internes Awareness-Team ansprechbar für Publikum, Künstler:innen und Mitarbeiter:innen.
Wir sind erreichbar über eine Telefon-Hotline (+49 (0)228 2010321, im Festival täglich von 10–23 Uhr) oder per E-Mail (achtsamkeit@beethovenfest.de).
Werte und Überzeugungen unseres Miteinander sowie weitere externe Kontaktmöglichkeiten können hier auf unserer Website aufgerufen werden.
Das Beethovenfest Bonn 2024 steht unter der Schirmherrschaft des Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst.
Programmheftredaktion:
Sarah Avischag Müller
Noomi J. Bacher
Die Texte von Marthe Lisson sind Originalbeiträge für dieses Programmheft.