(Übersetzung Markus Merz)
1.
Wie Machiavelli sagte…
Eine kurze Pause
Letzten Endes, nein, nicht Machiavelli: nicht jetzt, nicht heute, ein anderes Mal.
Wie sagte Friedrich Leopold Freiherr von Hardenberg, sagt Novalis. Nein, mit Novalis geht es auch nicht. Ich würde es gern mit William Shakespeare versuchen, aber ich habe den Eindruck, dass das Problem woanders liegt: lassen wir die »wie sagte bereits Karl Maier« beiseite. Sie werden eine Liebesgeschichte hören, alles in allem: eine Geschichte, die von Liebe handelt, von Vögeln und von Fischen, in einer Landschaft von kleinen Zweigen und frischen Algen: was würde Machiavelli zwischen einem Vogel und einem Fisch machen?
Stellen sie sich vielmehr einen kleinen Fluss vor, den Himmel, den tiefen Wald, alles, was man in einem dieser Wälder findet, verstehen Sie, was ich meine? (Er zählt mit seinen Fingern) Pilze, Nacktschnecken, Eichhörnchen, Wanderungen, was noch? Blätter, das heißt mehrere Blätter, in mehreren Schichten. Pilze – das sagte ich bereits.
Und nun, spitzen Sie die Ohren, hören Sie unsere Liebesgeschichte. Sie beginnt (was wäre natürlicher?) mit einer Ouvertüre: Die Ouvertüre der Krähe.
2.
Diese Liebesgeschichte wird traurig sein, sie wird herzzerreißend sein, aber ich verspreche Ihnen, es wird Gezwitscher geben – ich könnte Ihnen sogar sagen wie viel.
Haben Sie die Krähe gehört? Gut – und Sie werden, wenn Sie sie hören, den Gesang des Kuckucks, der pfeifenden Amsel und den Gesang des Ochsenfroschs erkennen. Aber darüber sprechen wir später.
Später, weil dann erscheint der Vogel. Ein Vogel, das ist poetisch, es ist musikalisch, man kann nicht das Gegenteil behaupten: alle Vögel, außer vielleicht das Huhn und vielleicht der Strauß und vielleicht der Emu (wenn der Emu überhaupt ein Vogel ist).
Der Vogel heißt Battibecco, es ist eine Nachtigall, eine Haubennachtigall, aber es ist ein Männchen, behalten Sie das gut im Hinterkopf: die Haubennachtigall in ihrer männlichen Version. Jedes Mal, wenn ich sage »die Nachtigall«, dann müssen Sie denken »der junge Mann«. Battibecco ist verliebt, schauen Sie, wie er bebt, wie er zittert, auf ein Zeichen lauernd. Die Liebe macht ihn entzückend idiotisch, nur ein kleiner Tropfen – und er erklärt seine Liebe einem Fisch.
3.
Diejenigen unter Ihnen, die ein einziges Mal, nur ein einziges Mal in einen Fisch verliebt waren, werden für den Inhalt dieser Geschichte empfänglich sein. Ich weiß, wovon ich spreche.
Der Vogel kam gerade angeflattert. Nun kommt der Fisch angeschwommen: er glänzt auf beiden Seiten, der Rand seiner Kiemen ist von einem schönen Rosa, welches sich von der Blässe seines Gesichtes abhebt. Im Allgemeinen vernachlässigt man zu sehr die verführerische Kraft eines Kiemens, wenn dieser rosa ist.
Eine kurze Pause
Zu ganz nützlichen Zwecken öffnen und schließen sich die Kiemen mit Hilfe eines Kiemendeckels.
Eine kurze Pause
Unser Fisch ist ein Karpfen, um genauer zu sein, ein Karpfen mit einem dicken Kopf. Er trägt den Namen Abboccata, da es sich um ein Weibchen handelt: jedes Mal, wenn ich »der Karpfen mit dem dicken Kopf« sagen werde, müssen Sie verstehen »die junge Dame«.
Abboccata ist verliebt, jede ihrer Schuppen trägt das Zeichen der Leidenschaft, als wären es die mit einem glühenden Eisen eingebrannten Buchstaben des Namens ihres Geliebten – ich übertreibe ein wenig, damit Sie verstehen. Und ihre Leidenschaft adressiert sie Blase für Blase an ihren Vogel Battimbecco.
4.
Der Regenbogen, das Blattwerk, die Wassertröpfchen: hier sind wir im Herzen des Themas, hier ist die Liebe präsent, zwischen dem von Vögeln bevölkerten Wald und dem mit dickköpfigen Karpfen angefüllten Fluss.
Und die Liebe wird harmonisch sein, sie wird die Hochzeit der Federn und der Flossen sein, sie wird den Gesang der Sirenen in den Rang des Quietschens einer Feder abschieben. Fragen Sie mich nicht, wie oder durch welches Wunder, aber Abboccata, der Karpfen, welcher eine junge Frau ist, wie wir wissen, bietet ihre Lippen Battibecco an, der Nachtigall, welche ein junger Mann ist, wir haben es gesagt, und sie hat einen so feinen Schnabel, dass sie den Mund Abboccatas kosten kann, ohne ihn zu zerbrechen.
Im Augenblick danach ist es an Battibecco, seinen Schnabel der verliebten Abboccata anzubieten, welche so weiche Lippen und ein so weiches Gewissen hat und wenn nötig, den Schnabel eines Vogels mit einem weichen Wattwurm zu vertauschen weiß.
Sie werden entdecken, wie ein Fisch spritzt, wenn er sich in einen Vogel verliebt – und umgekehrt. Sie werden die Zahl der Eheschließungen hören. In einer Tierdokumentation würde man Ihnen nicht so viele zeigen.
5.
Die Hochzeitstänze sind sehr schön – aber Mutter Natur birgt ebenso viele Gefahren.
Karl Marx hat uns erhabene Seiten über die Fischerei hinterlassen. Uns fehlt die Zeit, darüber zu sprechen, wir würden Stunden brauchen und der Fischer ist bereits unterwegs: der Fischer ist immer ein Frühaufsteher, das macht ihn manchmal enervierend.
Der Fischer ist stolz darauf, Stiefel an den Füßen zu haben, die ihm bis zum Kinn reichen, sie verleihen ihm eine gummihafte Eleganz. In seinem Taschentuch hat er ein Bündel Regenwürmer, unter denen er den besten auswählt, als wäre es ein kleiner Ofen auf dem Cocktailtablett.
Hier ist er schon am Flussufer, er trotzt dem Brombeergestrüpp, er betrachtet den Tagesanbruch über irgendwelchen Bergen, er schüttelt mit ausgestreckten Armen einen Halm, der dreimal höher ist als er.
Er verliert dann Stunden in der Betrachtung einer Schnur, die in zwanzig Zentimeter tiefem Wasser eingetaucht ist.
6.
Der Jäger besitzt zwei Federn: wir wissen zumindest, dass eine der beiden dazu dient, seinen Hut zu schmücken. Ansonsten erkennt man ihn schon von weitem, nicht nur wegen der beiden Federn, die ihn schmücken, sondern dank seiner Tarnkleidung. Durch seine Tarnkleidung auf sich aufmerksam zu machen, wenn man daran denkt, ist es ein schönes Paradoxon: aber der Jäger – hat nicht die Zeit, an solche Albernheiten zu denken: er liegt schon auf der Lauer.
Ah, es ist so bukolisch, die Nachtigall jagen zu gehen- wie soll ich sagen? Es ist ländlich und forstlich zugleich, und ein wenig herbstlich, wenn Sie mir den Ausdruck gestatten. Vor Tagesanbruch aufstehen, auf herabgefallenen Blättern laufen, Humus bis zu den Knien, ein Stück Kautabak zum Essen, die Meute in der Ferne hören, das Parfum der Patronen einatmen, heben, senken, die Sicherheitsraste entfernen, zuletzt nach dem Leder seiner Schultertasche tasten.
Eine kurze Pause
Um damit zum Ende zu kommen, füge ich hinzu: ein Jäger, der dieses Namens würdig ist, geht auch nicht ohne Fußwärmer und ohne sein Horn hinaus – sie werden es selbst feststellen.
7.
In Gegenwart des Todes kann man mit offenem Mund dastehen. Genau dies tut Abboccata, der Fisch. Der Karpfen mit dem dicken Kopf hatte auch einen dicken Mund: sie reißt den Mund weit auf, einen Haken an der Seite und lässt das Nichts hindurch, nichts weniger, in beide Richtungen.
Angesichts ihres bevorstehenden Todes ziehen es manche vor, faltig zu werden: das ist eine ehrenhafte Wahl, nicht wirklich mutig, aber ehrenhaft und, wenn man daran denkt, schrecklich menschlich. Wir anderen, Lebendigen, die manchmal aus einem geringeren Grunde faltig werden, sollten die Wahl der Toten respektieren.
Verkümmern ist genau das, was Battibecco tut, die Nachtigall, auf einem Haufen alter Blätter, ein Blei in der Brust. Vor weniger als einer Minute war er ein Vogel, war er die Evasion selbst; und jetzt schrumpft er zusammen, er sieht aus wie ein kleines Häufchen. Schade für ihn.
8.
Requiem
Lombricum æternam dona eis, Piscator,
Et aqua perpetua abluat eis.
Te decet ludibrium pisces, et tu quoque avis,
Et reddetur vaguletta sub ventus
Exaudi friturem nostram,
Ad nos omnis condimenti conveniet
Lombricum æternam dona eis, Venator,
Et aqua perpetua abluat eis.
Lacrimosa
Lacrimosa dies illa
Lacrimosa crocodilis
Qua resurget ex laguna
Voluptatus ucello reus
Voluptatus pesco reus
Huic ergo parce, Venator,
Huic ergo parce, Piscator
Acephalum bovem filii
Dona eis semper pacem.
Amen, amen, amen, amen
Amen, amen, et cætera.
9.
Nachtigall an Karpfen, für sechs Personen
Eine ausgewachsene Nachtigall.
Ein Karpfen mit dickem Kopf ohne Kopf.
(Vorzugsweise tot, aber das erklärt sich von selbst.)
Ein Pfund Butter.
Manche verwenden zwei.
Drei rasierte Suppenlöffel Mehl.
Verstehen Sie es so, dass die Löffel rasiert sein sollen, nicht das Mehl.
Salz, Pfeffer – unnötig, das zu erwähnen.
Würzen je nach Geschmack oder nach Verfügbarkeit.
Entfernen Sie das Blei aus der Nachtigall.
Entfernen Sie auch den Haken.
Rollen Sie und braten Sie den Vogel und den Fisch an – jeweils
im Mehl, anschließend in der Butter.
Salzen, mit der Spatel vermischen; Pfeffer hinzufügen,
vermischen – immer mit derselben Spatel, immer.
Wenn man die Nachtigall und den Karpfen geschmacklich nicht mehr unterscheiden kann, servieren.
Dieses Gericht schmeckt aufgewärmt am folgenden Tag noch besser.
Mit einem Vernaccia di San Gimignano.
Vielleicht sogar am übernächsten Tag.