Giorgi Gigashvili Klavier & Gesang
Nikala Zubiashvili Live-Elektronik
28.8.– 27.9. 2025
Giorgi Gigashvili Klavier & Gesang
Nikala Zubiashvili Live-Elektronik
Klassische Werke der Klavierliteratur, die fließend übergehen in Pop, Elektro und Hip-Hop
Mit Ausschnitten und Arrangements aus
Ludwig van Beethoven (1770–1827)
Sinfonie Nr. 9 op. 125, 4. Satz
Frédéric Chopin (1810–1849)
Nocturne Es-Dur op. 9/2
Inola Gurgulia (1929–1977)
»1, 2, 3«
Zacharia Paliashvili (1871–1933)
Tanz aus der Oper »Daisi«
Maurice Ravel (1875–1937)
»Boléro«
Claude Debussy (1862–1918)
»Clair de Lune« mit einem Twist!
East Coast Hip-Hop Mash-up
Z. Bolkvadze
»Tsutisopeli«
Sergei Prokofjew (1891–1953)
Klaviersonate Nr. 7 B-Dur op. 83
Der Pianist Giorgi Gigashvili schafft einen mehrfachen Spagat: zwischen Konzerthäusern und den Techno-Clubs seiner georgischen Heimatstadt Tbilisi. Zwischen großer Klassik, georgischer Folklore, experimentell-elektronischen Klängen und Hip-Hop. Und nicht zuletzt zwischen seinen beiden Lebensmittelpunkten in Berlin und Tbilisi.
Heute ist er nach zahlreichen Wettbewerbserfolgen auf den großen Konzertbühnen der Welt zu Hause. Aufgewachsen ist Gigashvili mit georgischer Vokalmusik und groß geworden zwischen Konservatorium und Hip-Hop. Es geht ihm vor allem um den Flow in der Musik, darum, sich vorzustellen, wie die Komponist:innen selbst ihre Stücke spielen würden, um das heutige Publikum für sich zu gewinnen.
In den drei Konzerten, die er im Rahmen seines Beethovenfest-Fellowships präsentiert (zusätzlich zu seinem Auftritt im Eröffnungskonzert), zeigt Gigashvili, was es für ihn heißt, im Jetzt ein Pianist zu sein – und wie er die Herausforderungen des Klassikbetriebs mit seiner eigenen musikalischen Identität zwischen Brahms und Beyoncé vereint.
Was ist das, Ernste Musik? Bei Giorgi Gigashvili klingt die Antwort auf diese Frage etwas anders als zunächst erwartet. Er holt ein wenig aus:
»Ich wollte ein größeres Projekt mit elektronischer Musik mit meinem Freund Nikala machen. Wir wollten etwas mit Beats machen und elektronische Klänge mit klassischer Musik verbinden. Das haben wir zuerst mit der siebten Klaviersonate von Prokofjew ausprobiert. Das Resultat war komplett umwerfend, es wurde viel besser als ich mir das vorgestellt hatte. Ich dachte mir: ›Wow, dude, that’s really serious music!‹ Prokofjew hätte das geliebt.«
Gigashvili löst ihn also endlich, den Streit zwischen ›E-‹ und ›U-Musik‹, der schon seit Generationen zwischen Musiker:innen, Musikwissenschaftler:innen und nicht zuletzt Mitarbeiter:innen von Verwertungsgesellschaften wie der GEMA ausgefochten wird. Den Streit darüber, welche Musik genau ›unterhaltsam‹ ist, also weniger gesellschaftlichen und monetären Wert beigemessen bekommt, und welche Musik ›ernst‹ ist, die ›wahre Kunst‹, die im Zentrum gesellschaftlicher und finanzieller Aufmerksamkeit steht.
Musik wird für Gigashvili ganz einfach dann ernsthaft – ›serious‹– wenn sie im Flow ist, wenn sich ihr Inhalt unmittelbar überträgt und sie Publikum und Musiker:innen mitreißt. Beats und elektronische Sounds sind dabei für ihn eben nicht Mittel zum Zweck, um etwas vermeintlich Fehlendes zu ergänzen oder sich einem bestimmten Publikum anzubiedern: Sie gehen eine enge, symbiotische Beziehung mit den zugrundeliegenden Werken ein und schaffen etwas Eigenständiges, etwas Neues.
Als symbiotisch bezeichnet Gigashvili auch seine Beziehung zu seinem Duopartner Nikala Zubiashvili, einem vielbeschäftigten Musiker der Hip-Hop- und Elektro-Szene von Tbilisi:
»Mit Nikala arbeite ich seit zweieinhalb Jahren zusammen. Unsere Kollaboration hat gleich mit einem riesigen Konzert in der Philharmonie von Tbilisi begonnen. Das Konzert war innerhalb von drei Tagen ausverkauft, das war komplett verrückt. Wir wurden Freunde und machen seitdem viel zusammen – unter anderem sind wir Residents in einem Club in Tbilisi, wo wir so oft wie möglich zusammen auftreten. Wir haben eine super gute Verbindung – wenn wir miteinander spielen, sind wir wie eine Person.«
Wie kam Gigashvili, der als Kind vor allem mit georgischer Folklore und klassischer Musik in Berührung kam, zum Hip-Hop und zur elektronischen Musik, die für ihn mehr ist als ein ›guilty pleasure‹ zur eigenen Zerstreuung in der Freizeit?
»Mit 12 oder 13 habe ich YouTube entdeckt. Ich habe einfach alles gehört, was ich finden konnte. So kam ich irgendwann zu Beyoncé, die mit der Zeit zu einer Art Ziehmutter für mich wurde. Ich bewundere sie so sehr! Ich hatte Glück, damals einfach alles hören zu können, weil meine Mutter die englischen, oft nicht ganz jugendfreien Texte sowieso nicht verstehen konnte – ein großer Luxus!«
Sowohl Mutter als auch ›Ziehmutter‹ haben ihre Spuren in seiner Arbeit hinterlassen. Ebenso wie die vielfältigen weiteren Einflüsse, von denen Gigashvili umgeben war. Das Wandeln innerhalb starrer Genregrenzen interessiert ihn nicht. Vielmehr reizt ihn die Konfrontation des scheinbar Gegensätzlichen.
»Wir müssen versuchen, mit den Klischees zu brechen. Ich selbst sehe mich aber nicht als jemand, der nur deswegen mit Klischees bricht, damit es irgendjemand tut. Das ist auch nicht immer nur gut. Ich mache mit der klassischen Musik einfach das, was ich will, und hoffe, dass es den Leuten gefällt.«
Wie spiegelt sich der Zugang von Gigashvili und Zubiashvili im Repertoire wider? ›Serious Music‹ bewegt sich bewusst jenseits der Granden des deutsch-österreichischen Klassik-Kanons. Sie beinhaltet mit Ravels »Boléro« oder Debussys »Claire de Lune« auch Werke, die man – ob ihrer Allgegenwärtigkeit ›außerhalb‹ des Konzertsaals in Werbung, Film und beim Shopping – ›im‹ Konzertsaal gar nicht mehr so oft antrifft.
Gerade diese Werke sind es, mit denen Gigashvili zeigen will, welches Potenzial in den nur vermeintlich ›einfachen‹ Werken der klassischen Musik liegt, wenn man sie nur richtig angeht und der Musik ihren Raum gibt:
»Dass wir vor allem Musik ausgewählt haben, die nicht im kanonischen Sinn ›ernst‹ ist, sondern Chopin, Ravel, Prokofjew, Debussy und so weiter, soll natürlich auch ein Kommentar zur Idee der ›Ernsten Musik‹ sein – andererseits ist das aber auch einfach Musik, die wahnsinnig gut mit Elektronik funktioniert. Mit Beethoven wäre das zum Beispiel nicht so einfach gegangen.«
Das Konzert beinhaltet mit der »Ode an die Freude« aus Beethovens neunter Sinfonie dennoch ein Werk des Bonner Komponisten. Aber hier sind es der Rhythmus und die Repetition, die zur musikalischen Expansion in elektronische Gefilde einladen, zum musikalischen Experiment, das Gigashvili so sehr am Herzen liegt.
Und wie war das nochmal mit der siebten Sonate von Prokofjew?
»Das ist einfach Rockmusik. Vor allem der dritte Satz.«
Text: Jonas Löffler
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Das Beethovenfest Bonn 2024 steht unter der Schirmherrschaft des Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst.
Programmheftredaktion:
Sarah Avischag Müller
Noomi J. Bacher
Die Texte von Jonas Löffler sind Originalbeiträge für dieses Programmheft.