Nur Tage vor dem Konzert springt die aufstrebende niederländische Cellistin Harriet Krijgh für die erkrankte Tanja Tetzlaff ein – ein freudiger Umstand, denn sie startet zur Zeit auf allen großen Bühnen weltweit regelrecht durch und arbeitet zudem oft und gern mit Pianistin Lauma Skride im Duo.
Digitales Programmheft
Do. 19.9.
19.30 Uhr, Burg Namedy
Harriet Krijgh & Lauma Skride
Mitwirkende
Harriet Krijgh Violoncello
Lauma Skride Klavier
Programm
Ludwig van Beethoven
Sieben Variationen über das Duett »Bei Männern, welche Liebe fühlen«
aus Mozarts »Zauberflöte« Es-Dur WoO 46
Dmitri Schostakowitsch (1906–1975)
Cellosonate d-Moll op. 40
I. Allegro non troppo
II. Allegro
III. Largo
IV. Allegro
Pause (ca. 25 Minuten)
Robert Schumann (1810–1856)
Fantasiestücke op. 73, Fassung für Violoncello und Klavier
I. Zart und mit Ausdruck
II. Lebhaft, leicht
III. Rasch und mit Feuer
César Franck (1822–1890)
Sonate A-Dur, arr. für Violoncello und Klavier
I. Allegretto ben moderato
II. Allegro
III. Recitativo – Fantasia. Ben moderato – Molto lento
IV. Allegretto poco mosso
Dieses Konzert wird gefördert durch
Einleitung
»Freiheit über alles lieben«
EinleitungAls Anhänger des jakobinischen Universitätsprofessors Eulogius Schneider war Ludwig van Beethoven bereits in seinen Bonner Jahren zum Anhänger der Liberté-, Égalité- und Fraternité-Parolen der Aufklärung geworden. 1793, vier Jahre nach dem Sturm auf die Bastille, schrieb er seiner Bekannten Theodora Johanna Vocke ins Stammbuch: »Freiheit über alles lieben; Wahrheit nie, (auch sogar am Throne nicht) verläugnen«. Von Freiheit und Demokratie konnte Dmitri Schostakowitsch nur träumen: Einige seiner engsten Freunde wie der Komponist Nikolaj Schiljajew fielen dem stalinistischen Staatsterror zum Opfer, während Schostakowitsch selbst wie durch ein Wunder überlebte.
Beethoven: »Bei Männern ...«
Ludwig van Beethoven
7 Variationen über »Bei Männern, welche Liebe fühlen«In »neuer Manier« schrieb Beethoven die sieben Variationen über das Duett »Bei Männern, welche Liebe fühlen«, in dem Papageno in der Mozart-Oper seiner Sehnsucht nach einer liebenden Gefährtin Ausdruck verleiht. Zu einer Zeit, in der anspruchsvolle Werke für Violoncello noch eine Seltenheit waren, irritierte die enge Verschränkung beider Instrumente: »Wer diese Violoncellostimme vortragen will«, so der Rezensent des Erstdrucks überrascht, »muss seines Instruments sehr mächtig sein«. Letzteres wird schon bei der Themenpräsentation deutlich, da Beethoven zu Mozarts Vorlage eine zusätzliche Gegenstimme hinzuerfand, die das musikalische Miteinander bereichert. In den Veränderungen wird das Mozart-Thema immer wieder neu beleuchtet, wobei sich das Ganze reizvoll als Dialog zwischen Pamina (Klavier) und Papageno (Violoncello) hören lässt.
Schostakowitsch: Cellosonate
Dmitri Schostakowitsch
CellosonateDie Premiere von Dmitri Schostakowitschs »Lady Macbeth von Mzensk« am 22. Januar 1934 am Leningrader Kleinen Operntheater war ein voller Erfolg. Die Oper wurde in New York, Cleveland und Philadelphia gespielt und erlebte in Russland rund 200 Folgeaufführungen. Die Kritik feierte sie als Zeugnis der neuen sowjetischen Kunst. Während dieser Zeit entstand Schostakowitschs Sonate für Violoncello und Klavier in d-Moll – wenige Monate bevor am 1. Dezember 1934 Sergej Kirow, der zweitmächtigste Mann der Sowjetunion nach Stalin, ermordet wurde und die Zeit des stalinistischen Terrors ihren ersten Höhepunkt erreichte. Schostakowitsch widmete die Sonate dem Cellisten Viktor Kubatsky, der auch die Leningrader Uraufführung am 25. Dezember 1934 übernahm. Das einleitende Kopfsatz-Allegro, das Schostakowitsch in gerade einmal zwei Tagen zu Papier brachte, bietet zunächst eine trügerische Idylle, die am Ende allerdings in offene Verzweiflung mündet. Es folgt ein bisweilen ins Brutale umschlagender Tanz mit schwerfällig wiederholten Rhythmen und starren Phrasen, die an einen ironisch gebrochenen Ländler à la Gustav Mahler erinnern. Im Largo breitet Schostakowitsch dann einen schwermütigen Monolog aus, in den direkte Anspielungen an das Gefangenenlied aus »Lady Macbeth« hineinklingen. Das kurze Finale prägen schließlich Sarkasmus und Groteske, bevor ein impulsiver Ausbruch für einen abrupten Abschluss sorgt.
Kubatsky und Schostakowitsch spielten die Cellosonate während einer ausgedehnten Tournee in und außerhalb der Sowjetunion, die beiden »zu sehr schmeichelhaften Bedingungen angeboten« worden war.
»Am 28. Januar 1936«, so Schostakowitsch in den von Solomon Volkov herausgegebenen Memoiren, »gingen wir in Archangelsk auf den Bahnhof, um die neueste ›Prawda‹ zu kaufen. Ich durchblättere sie und finde auf der dritten Seite den Artikel ›Chaos statt Musik‹. Diesen Tag werde ich nie vergessen. Er ist vielleicht der denkwürdigste in meinem ganzen Leben. […] Laut und leise wurde ich als Volksfeind apostrophiert.«
Stalin hatte am 26. Dezember 1935 eine Vorstellung von »Lady Macbeth« im Bolschoi-Theater besucht und das Haus in der Pause fluchtartig verlassen, woraufhin das Werk umgehend verboten wurde. Fortan fürchtete Schostakowitsch um sein Leben und wurde erst nach dem Zweiten Weltkrieg (zumindest zeitweilig) rehabilitiert – weil sich der internationale Erfolg seiner »Kriegssinfonien« Nr. 7 und Nr. 8 von den sowjetischen Machthabern bestens instrumentalisieren ließ.
Schumann: Fantasie
Robert Schumann
Fantasiestücke op. 73»War Beethoven die Kunsthöhe der klassischen Zeit, so ist Robert Schumann die Inkarnation unseres modernen Zeitbewusstseins geworden … Seine Produktionskraft ist so ungeheuer, er hat uns in den letzten Jahren so überschüttet mit Werken aller Art, dass er an vielen Orten Deutschlands bereits hinreichend bekannt.«
– Louis Ehlert im November 1849 in der Preußischen Staats-, Kriegs- und Friedenszeitung
Robert Schumann schrieb die Fantasiestücke ursprünglich für Klarinette und Klavier. Schon der Erstausgabe waren aber gesonderte Stimmen für Violine und Violoncello beigelegt und auf dem Titelblatt der Zusatz »ad libit. Violine od. Violoncell« notiert.
Franck: Sonate
César Franck
Sonate in A-Dur»Ich werde dieses Meisterwerk überall spielen, wo ich einen kunstsinnigen Pianisten finde.«
– Eugène Ysaÿe in einem Brief an den Komponisten (28. Okotober 1886)
Alle wesentlichen Themen dieser Sonate leiten sich aus einem zweitaktigen Kernmotiv ab, das zu Beginn des Stücks, vom Violoncello vorgetragen, erklingt. Ähnlich ging übrigens auch Beethoven in einigen seiner späteren Kompositionen vor.
Text: Harald Hodeige
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Biografien
Harriet Krijgh
BiografieHarriet Krijgh konzertiert in den großen Konzertsälen Europas, Nordamerikas und Asiens mit Orchestern wie dem Boston Symphony Orchestra, den Wiener Symphonikern, dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin, dem London Philharmonic Orchestra, dem Orchestre Philharmonique de Radio France, dem Yomiuri Nippon Symphony Orchestra, der Hong Kong Sinfonietta und dem Sydney Symphony Orchestra u.v.m.
Sie ist regelmäßig zu Gast bei internationalen Festivals und prägte als »Prizewinner in Residence« der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern in rund 20 Konzerten die Sommerausgabe 2019. Harriet Krijgh ist begeisterte Kammermusikerin und geht als solche regelmäßig mit Klavierpartnerinnen Magda Amara und Lauma Skride auf Tournee. Zu ihren Projekten zählt auch das jährliche Sommerfestival »Harriet & Friends« auf Burg Feistritz (Österreich), das in diesem Jahr bereits zum 13. Mal stattfand.
Harriet spielt auf einem Cello von Domenico Montagnana (Venedig, 1723), dessen Schnecke von Stradivarius gefertigt wurde. Das seltene Instrument wird ihr von der Prokopp-Stiftung zur Verfügung gestellt.
Lauma Skride
BiografieLauma Skride begeistert als Solistin wie als Kammermusikerin gleichermaßen auf den wichtigsten nationalen und internationalen Podien. Insbesondere für ihre Interpretationen des deutschen klassischen und romantischen Repertoires wird die Wahl-Berlinerin, seit 2008 Trägerin des Beethoven-Rings, geschätzt. Sie gastierte bei Orchestern wie dem Gewandhausorchester Leipzig, Royal Northern Sinfonia und dem hr-Sinfonieorchester Frankfurt. Zu den Dirigent:innen, mit denen Lauma Skride arbeitet, gehören Kristjan Järvi, Cornelius Meister, Andris Nelsons und Anu Tali.
Lauma Skride ist Mitbegründerin des Skride Quartet, zusammen mit Baiba Skride, Harriet Krijgh und Lise Berthaud. Seit 2016 tritt das Ensemble international sehr erfolgreich auf. Zu Lauma Skrides weiteren Kammermusikpartner:innen zählen Anne-Sophie Mutter, Daniel Müller-Schott, Sol Gabetta, Jörg Widmann und Christian Tetzlaff.
1982 in Riga als jüngste von drei Schwestern einer lettischen Musikerfamilie geboren, begann Lauma Skride im Alter von fünf Jahren Klavier zu spielen und studierte an der Musikhochschule Emils Darzins in Riga und an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg. Seit ihrem elften Lebensjahr nahm sie an zahlreichen internationalen Wettbewerben teil (u. a. Maria Canals in Spanien und Cleveland International Piano Competition, USA) und wurde mehrfach ausgezeichnet.
Konzerttipps
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im BeethovenfestAwareness
Awareness
Wir – das Beethovenfest Bonn – laden ein, in einem offenen und respektvollen Miteinander Beethovenfeste zu feiern. Dafür wünschen wir uns Achtsamkeit im Umgang miteinander: vor, hinter und auf der Bühne.
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Wir sind erreichbar über eine Telefon-Hotline (+49 (0)228 2010321, im Festival täglich von 10–23 Uhr) oder per E-Mail (achtsamkeit@beethovenfest.de).
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Programmheftredaktion:
Sarah Avischag Müller
Noomi J. Bacher
Die Texte von Harald Hodeige sind Originalbeiträge für dieses Programmheft.