Isabelle Faust Violine
Simone von Rahden Viola
Kristin von der Goltz Violoncello
James Munro Kontrabass
Daniela Lieb Flöte
Lorenzo Coppola Klarinette
Eduardo Raimundo Beltrán Klarinette
Javier Zafra Fagott
Bart Aerbeydt Horn
Digitales Programmheft
So. 8.9.
16 Uhr, Kleine Beethovenhalle
Isabelle Faust: Beethoven & Brahms
Mitwirkende
Programm
Ludwig van Beethoven (1770–1827)
Septett Es-Dur op. 20
I. Adagio – Allegro con brio
II. Adagio cantabile
III. Tempo di menuetto
IV. Tema con variazioni. Andante
V. Scherzo. Allegro molto e vivace
VI. Andante con moto alla marcia – Presto
Pause
Johannes Brahms (1833–1897)
Serenade Nr. 1 D-Dur op. 11, Urfassung für Nonett
(rekonstruiert von Jorge Rotter)
I. Allegro molto
II. Scherzo. Allegro non troppo – Trio. Poco più moto
III. Adagio non troppo
IV. Menuetto I – Menuetto II
V. Scherzo. Allegro
VI. Rondo. Allegro
Dieses Konzert wird gefördert durch
Einleitung
Die Kunst der musikalischen Konversation
EinleitungIsabelle Faust beginnt ihre Residenz beim Beethovenfest Bonn 2024 gewohnt bodenständig nicht als Solistin, sondern als Primaria einer Kammermusikformation, die sie allerdings aus hochkarätigen Musiker:innen zusammengestellt hat. Aus ihrem Programm spricht der Elan junger Komponisten, die wussten, dass sie ihrer Mit- und Nachwelt etwas zu sagen hatten: Beethoven vollendete sein Septett mit 29, Brahms seine Serenade mit 25 Jahren. Beide waren dabei, sich im Musikleben ihrer Zeit einen Namen zu machen – als Pianisten und als Komponisten, die sich nach und nach in allen bedeutenden Gattungen äußerten. Serenaden standen jedoch nicht mehr so stark im Fokus des öffentlichen Interesses wie zu Mozarts Zeit. Damals wurden sie für private, akademische oder politische Feiern geschrieben. Doch die Ära dieser Gesellschaftskunst war vorbei, Beethovens Opus 20 und Brahms’ Opus 11 wurden als Kammermusik in kleinem oder als Konzertwerke in großem Rahmen gespielt. Geblieben war der Typus: Die Kunst der musikalischen Konversation, fasslich und vielfältig in ihren Themen und Formen, anspruchsvoll in ihrer Qualität, ein Beispiel heiterer Kunst, die auch elegant durch Schattenzonen zu steuern weiß.
Beethoven: Septett
Ludwig van Beethoven
Septett Es-Dur op. 20Fast euphorisch
Beethoven war in Hochstimmung. Das kam nicht allzu oft vor. Aber im Frühjahr 1799 blickte er voller Optimismus in die Zukunft. Die Musikwelt seiner Wahlheimat Wien schenkte ihm wachsende Anerkennung, es fehlte nur noch das eine Antrittskonzert, mit dem er sich im großen Fach, sprich dem Solokonzert und der Sinfonie, beweisen konnte. Auch privat schien ihm das Glück gewogen: Die ungarische Gräfin Brunsvik engagierte ihn als Musiklehrer für ihre Töchter Therese und Josephine. »Er gab ihnen Unterricht so viel und wann sie nur wünschten, begleitete sie zu den Familienbällen und betätigte sich selbst als leidenschaftlicher Tänzer.« (Harry Goldschmidt). Vor allem die Jüngere, Josephine, hatte es ihm angetan; seine Zuneigung blieb nicht unerwidert.
Eine verlängerte Sinfonie
In jener Zeit arbeitete er an seiner ersten Sinfonie und am Septett Es-Dur op. 20; beide standen auf dem Programm, mit dem er sich im April 1800 als Meister der großen Formen und Besetzungen einführte. Dem Werk für drei Blas- und vier Streichinstrumente gab er den Charakter einer Serenade. Das Stück umfasst aber nicht nur vier Sätze wie eine Sinfonie, sondern sechs. Der Unterschied zwischen beiden Gattungen: die Mittelsätze zwischen den Hauptpfeilern von Eröffnungs- und Finalsatz – in der Serenade sind diese gedoppelt, jedes Mal aus anderem Blickwinkel betrachtet. Den Typus des ruhigen, gesanglichen Stücks deutet Beethoven im zweiten Satz, dem Adagio cantabile, als inniges Duett ohne Worte an: Die Klarinette führt einen Dialog erst mit der Violine, dann mit dem Fagott. Der vierte Satz gibt sich dagegen jovial-liedhaft – als kontrastvolle Variationenfolge über ein Thema, das mit einem Text versehen zum Volkslied wurde. So populär war Beethovens Septett und blieb es lange – allerdings nicht nur zu seiner Freude: Kostbareres aus seiner Feder finde dadurch zu wenig Beachtung, murrte er.
Den stilisierten Tanz bringt Beethoven einmal in der zeremoniell-höfischen Variante als Menuett (dritter Satz), dann als lebhaftes Scherzo (fünfter Satz). Für das mäßig bewegte Menuett griff er auf eine ältere Klaviersonate zurück; das Scherzo simuliert mit dem Wechsel von Ruf und Antwort eine Szene im Freien. Den Rahmensätzen verlieh er durch langsame Einleitungen besonderes Gewicht. Sie erhöhen die Spannung, wirken wie ein Vorhang, der die Hauptsache erst verbirgt, dann freigibt: eine »Sinfonia serena«, eine heitere Sinfonie, in welcher der Komponist sein Können mit leichter Hand ausspielt. Josephine mochte solche Musik mehr als die Dramen in Tönen. Am Septett fand sie Gefallen. Beethoven widmete es offiziell der Kaiserin Maria Theresia, im Herzen aber seiner Schülerin aus ungarischem Adel.
Ludwig van Beethoven wurde am 17. Dezember 1770 in Bonn getauft und starb am 16. März 1827 in Wien. Bekannt ist er vor allem für seine Sinfonien, Solokonzerte, Kammermusik, Klavierwerke und die »Missa solemnis«.
Brahms: Serenade
Johannes Brahms
Serenade D-Dur op. 11Aufgeräumt klassisch
Führte auch bei Brahms’ D-Dur-Serenade die Liebe die Feder? Wir wissen es nicht. Doch wenn sie mit im Spiel war, dann wohl weniger als Hochgefühl denn als Problem. Brahms komponierte das Werk zwischen September 1857 und Dezember 1858 in einer Phase des Umbruchs. Robert Schumann, sein wichtiger Fürsprecher, war Ende Juli 1856 in der Heilanstalt Endenich bei Bonn gestorben. Brahms hatte ihn regelmäßig besucht und die indirekte Kommunikation mit seiner Frau Clara hergestellt. Bei ihr wohnte Brahms zuletzt auch. Nach Schumanns Tod entschied er sich – trotz gegenseitiger Zuneigung – für ein Leben getrennt von ihr. Die Gefühlslage war damit allerdings nicht bereinigt, weder bei ihm noch bei ihr.
Studium der Meister
1857 nahm Brahms ein Engagement am Fürtenhof in Detmold an. Drei Jahre in Folge musste er von Sep-tember bis Dezember die Prinzessin Friederike unterrichten, den Chor der Residenz leiten und Konzertegeben. Daneben blieb viel Zeit für intensive Studien.
Er widmete sie den Sinfonien Haydns und Mozarts sowie den Serenaden des Letzteren. Dabei erkannte er, wie Mozart die zweckgebundene Gesellschaftsmusik für klangliche und dramaturgische Experimente nutzte. Ohne die Erfahrungen, die er dabei sammelte, hätte er nicht zur Höhe seiner sinfonischen Kunst gefunden.
Über die Serenade zur großen Sinfonie
Mozarts Weg könnte Brahms als Leitbild gedient haben. Demonstrativ knüpfte er mit seinem Opus 11 am klassischen Stil an. Das Anfangsthema des ersten Serenadensatzes ähnelt dem Finalthema aus Haydns letzter Sinfonie wie ein Geschwisterkind dem anderen. Allen Sätzen gab er deutlich unterschiedliche Charaktere, dazu klare, übersichtliche Formen verschiedener Art. Abwechslung war ein Gebot guter musikalischer Konversationskunst. Harmonisch mied Brahms komplexe Strukturen und Eskapaden, wartete aber nach Haydns Art mit feinen Überraschungen auf. Wie Beethoven entschied er sich am Ende für sechs Sätze, ordnete sie aber anders an. Er schrieb nur ein langsames Stück, wertete es aber durch Länge und kompositorische Ausgestaltung auf. Sein Werk wird von drei Säulen getragen: den Ecksätzen außen und dem Adagio in der Mitte. Die Passagen dazwischen füllen stilisierte Tänze aus: Ein stark ausgebautes sinfonisches Scherzo an zweiter Stelle; an vierter ein Menuett, das einerseits in längst verklungene, vorklassische Zeiten zurückblendet, andererseits mit dem gemächlichen Walzer liebäugelt. Und dann, vor dem Finale, ein kürzeres Scherzo: Es nimmt noch einmal auf Haydn Bezug und beschwört mit dem Hornsolo in der Mitte die Gattungsgeschichte der Serenade als Freiluftmusik herauf.
»Diese Urfassung, rekonstruiert von Jorge Rotter, ist extrem reizvoll. Ich bin sehr hoffnungsvoll und gespannt – ich glaube, dass es gute Chancen hat, endlich die richtige Besetzung für dieses Stück zu sein!« – Isabelle Faust
Urfassung für neun Solo-Instrumente
Die D-Dur-Serenade ist als Orchesterwerk überliefert. Brahms schrieb sie jedoch zunächst für ein Nonett von fünf Blas- und vier Streichinstrumenten, führte sie so auch mehrfach auf. Das Material ist verschollen, doch lässt sich aus der Orchesterfassung ein recht zuverlässiges Bild von der ursprünglichen Partitur gewinnen, denn Passagen wie Satzanfänge oder größere Strecken, die nur einen Teil der Instrumente beschäftigen, scheint Brahms unverändert übernommen zu haben. Von ihnen aus entwickelte Jorge Rotter 1987 seinen ›Rückbau‹ zum Nonett. Klanglich überzeugt er, denn in Brahms’ Serenade sind die Instrumentalparts wie in Beethovens Septett nicht hierarchisch, sondern gleichberechtigt organisiert; bald steht der eine, bald der andere im Vordergrund, Gruppen lösen sich ab und antworten aufeinander, wie es einer guten musikalischen Konversation entspricht.
Johannes Brahms wurde am 7. Mai 1833 in Hamburg geboren und starb am 3. April 1897 in Wien. Bekannt ist er für seine Sinfonien, Solokonzerte, Kammer- und Klaviermusik sowie Vokalwerke mit und ohne Orchester.
Text: Habakuk Traber
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Das Beethovenfest Bonn 2024 steht unter der Schirmherrschaft des Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst.
Programmheftredaktion:
Sarah Avischag Müller
Noomi J. Bacher
Lektorat:
Heidi Rogge
Die Texte von Habakuk Traber sind Originalbeiträge für dieses Programmheft.