Matinee: Kit Armstrong

Wann immer Beethoven beim Komponieren nach Inspiration suchte, schlug er das »Wohltemperierte Klavier« von Bach auf – sofort flossen ihm neue Ideen. So ist es überliefert; Kit Armstrong interessiert sich in seinem Recital für den kreativen Moment, in dem der Funke der Bach’schen Musik etwas ganz Neues in Beethoven entzündete. »Meine Idee war, diesen erlebten Moment von Beethoven tatsächlich in ein Konzertprogramm zu verwandeln«, erklärt Armstrong.

»Das Wohltemperirte Clavier oder Præludia, und Fugen durch alle Tone und Semitonia« spielte der junge Ludwig schon unter seinem Bonner Lehrer C. G. Neefe. »Er studierte täglich mit ganzer Seele daran!«, so erinnerte sich der Bonner Verleger Nikolaus Simrock, der dem neunjährigen Beethoven eine Ausgabe des »Wohltemperierten Klavier« schenkte. Die zweibändige Sammlung von Präludien und Fugen von Bach ist eine Enzyklopädie der Möglichkeiten auf dem Tasteninstrument. Jeder Band enthält paarweise Stücke in allen 24 Tonarten: Dur- und Molltonarten aller 12 Halbtöne der Tonleiter. Innerhalb des selbstgesetzten Rahmens von Präludium und Fuge erreicht Bach eine erstaunliche musikalische Fülle – jedes Satzpaar hat seinen ganz eigenen Charakter. Für den Klavierschüler Beethoven eine gute technische Schulung, für den Komponisten Beethoven eine Fundgrube für das Studium.

Kit Armstrong stellt den Auszügen aus dem zweiten Band des »Wohltemperierten Klavier« drei der gewichtigsten Beethoven’schen Sonaten gegenüber. So hören wir einen fiktiven Dialog der beiden Komponisten – oder vielleicht Beethovens hoch individuelle Sonaten als Antworten auf Fragen, die Bachs zeitlose Musik in ihm aufwarfen. Die ruhelose, zerklüftete »Sturmsonate«, die klassisch-lyrische g-Moll-Sonate Nr. 19 und die vorvorletzte Sonate in E-Dur, ein Spätwerk, das bereits auf die Epoche der Romantik vorausweist – die drei Werke stehen beispielhaft für Beethovens musikalischen Kosmos.

Konzertmitschnitt durch den WDR, die Deutsche Welle und den Deutschlandfunk Kultur