Philo Tsoungui studierte selbst klassisches Schlagwerk und erwarb umfangreiche Erfahrungen mit renommierten Künstler:innen, etwa Dirigent Kirill Petrenko. Aus eigener Erfahrung weiß Philo, wie rigide die Strukturen der klassischen Musik sind und wie sehr Musiker:innen auf Perfektion getrimmt werden. Nicht zuletzt aus diesem Grund hat sich Philo mehr und mehr aus der klassischen Musik zurückgezogen und ist mit dem Jazz- und Pop-Studium in die Welt des freien Spielens, in Genres wie Jazz, Pop, Rock und Elektronik eingetaucht. Heute gehört Philo Tsoungui zu den gefragtesten Drummer:innen des Landes.
»Eigentlich ist das ein Widerspruch: in der Klassik strebt man stets nach Perfektion, doch sobald ein Computer ins Spiel kommt, gibt es einen Aufschrei. Die Musik soll atmen und sich bewegen, doch diese Bewegung darf nur in einem begrenzten und genau definierten Rahmen stattfinden. Es handelt sich also um eine künstliche Form von Menschlichkeit.«
Aktuell produziert Philo eine EP, in der sich Klangwelten elektronischer Musik mit der kamerunischen Musikrichtung Bikutsi verbinden. Als Teil der Gruppenausstellung »Forgive Us Our Trespasses. Of (Un)Real Frontiers, Of (Im)Moralities and Other Transcendences» im Haus der Kulturen der Welt in Berlin von September bis Dezember 2024 wird Philo eine Audio-Videoinstallation präsentieren, die sich mittels Tonaufnahmen aus dem Zuhause der sächsischen Großeltern mit dem Gefühl des Aus-dem-Rahmen-Fallens beschäftigt.
Mit »generating realities« führt Philo Tsoungui all diese persönlichen und beruflichen Erfahrungen und Auseinandersetzung zusammen, erobert sich den Klangraum der Klassik zurück und integriert ihn in ein momentanes Schaffen, um so einen neuen Weg zu gehen – für sich und das Publikum.
»Mit diesem Projekt nehme ich meinen Platz in der Klassik wieder ein, die ich eigentlich verlassen hatte, weil ich das Gefühl hatte, dass es für mich als queere:n, Schwarze:n Künstler:in dort keinen Platz gibt.«
Es war deshalb eine sehr bewusst gesetzte Entscheidung, bei dem ersten Konzert am 20. September 2024 im Rahmen des Beethovenfest Bonn mit The String Archestra zu kollaborieren. An diesem Abend stehen nur BIPoC Künstler:innen auf der Bühne – ein aktiver Schritt, um die anhaltenden Ausschlüsse in der Szene der klassischen Musik zu kritisieren.
»Mit unserer Performance werden wir unsere eigenen Realitäten generieren, die an diesen Abenden den Raum bestimmen werden.«
Schwarze Künstler:innen und Künstler:innen of Color, die gegenwärtig an vielen Orten nicht sicher sind, schaffen sich so einen eigenen, geschützten Raum, an dem Besucher:innen eingeladen sind teilzunehmen; »doch die Rahmenbedingungen setzen wir.«