Ko-Kreation ist ein Begriff, der ursprünglich aus dem Produktmarketing kommt: Er beschreibt die Zusammenarbeit mit Konsument:innen bei der Entwicklung eines neuen Produkts. Berühmtes Beispiel ist der Turnschuh »Air Jordan« des amerikanischen Sportartikelherstellers Nike. Die Konzeption des ikonischen Sportschuhs gemeinsam mit Basketball-Legende Michael Jordan war ein Novum und machte Nike in den darauffolgenden Jahren zu einem der wertvollsten Unternehmen der Welt.
Ohne es konkret zu benennen, wendet die Kulturwirtschaft das Prinzip der Ko-Kreation ebenfalls an: Konzertformate und -programme werden gemeinsam mit Künstler:innen geplant, Education-Programme mit lokalen Communities entwickelt. Diese Zusammenarbeit ist jedoch stets zweckgebunden: Es wird das eine Projekt für die Bühne geplant, der eine öffentliche Workshop für den Stadtteil. Die Aufführung steht im Mittelpunkt, selten jedoch wirkt die künstlerische Zusammenarbeit in das Unternehmen hinein. Genau hier möchte Inside Artists ansetzen: Als Modellprojekt zur ko-kreativen Zusammenarbeit zwischen Künstler:innen und Kulturinstitutionen, das wir gemeinsam mit der Liz Mohn Stiftung im Rahmen von »tuned – Netzwerk für zeitgenössische Klassik« der Kulturstiftung des Bundes entwickelt haben.
»Das schöne an dieser Projektarbeit mit den ›Inside Artists‹ ist, dass wir komplett frei und gemeinsam mit den Künstler:innen überlegen, welche Themen wir interessant finden und für beide Seiten einen Mehrwert bieten. Das muss nicht zwangsläufig das Konzert auf der Bühne sein.«
– Steven Walter, Intendant Beethovenfest Bonn
Tobias Zielony & Cana Bilir-Meier
Für »Inside Artists« arbeiten aktuell sechs Künstler:innen aus den Bereichen Kunst, Literatur, Musik und Konzertdesign gemeinsam mit dem Festivalteam an künstlerischen Projekten. Das zeitliche Investment aller Beteiligten ist hoch: man tauscht sich in regelmäßigen Meetings zum Projektstand aus und trifft sich vor Ort in Bonn zur gemeinsamen Workshoparbeit. Unterstützend mit dabei: Prof. Dr. Martin Zierold, Leiter des Instituts für Kultur- und Medienmanagement in Hamburg, der das Projekt als Coach begleitet. Der Austausch zwischen Künstler:innen und Mitarbeitenden des Festivals schafft für beide Seiten neue Erkenntnisse: »Man lernt hier total viele Dinge, über die man vorher nicht nachgedacht hat. Es ist sehr multiperspektivisch«, so Tobias Zielony. Gemeinsam mit der Filmemacherin Cana Bilir-Meier und der Kommunikationsabteilung des Festivals entwickelt der Fotograf ein Kunstprojekt zu Bonn als Demokratieort 75 Jahre nach Unterzeichnung des Grundgesetzes.
»Das künstlerische Projekt wird von Anfang an gemeinsam entwickelt, es ist eine Teamarbeit. Das ist bei meinen Projekten normalerweise nicht immer so.«
– Tobias Zielony, Künstler und Fotograf
Daniel Gerzenberg
Ein weiterer Inside Artist ist Daniel Gerzenberg: Als Lyriker und Pianist arbeitet er eng mit den Mitarbeiter:innen der Abteilung Development zum Thema sexualisierte Gewalt und Machtmissbrauch im Kulturbetrieb. 2023 erschien sein Debütroman »Wiedergutmachungsjude« im Matthes & Seitz Verlag, in dem er sich mit dem ihm widerfahrenen sexuellen Missbrauch als heranwachsender Konzertpianist auseinandersetzt. Neben einer Erarbeitung eines Code of Conduct und Anlaufstellen im Festival für Künstler:innen, Publikum und Mitarbeiter:innen erarbeitet die Gruppe für das Festival 2025 eine musikalische Performance.
Franziska Ritter, Christian Siegmund & Saman Haddad
Um das Thema Gastgeberschaft geht es im Bereich Programm: Die Berliner Konzert- und Experiencedesigner Christian Siegmund und Franziska Ritter entwickeln gemeinsam mit dem Bonner Kulturvermittler Saman Haddad Möglichkeiten, wie sich Künstler:innen und Publikum noch wertschätzender im Festival begegnen können.
»Kultur muss immer wieder gesellschaftlich relevante Themen aufgreifen und Menschen zusammenführen. Mit unserer Unterstützung wollen wir genau das erreichen und die Rolle von Künstler:innen bei der Weiterentwicklung von Kulturinstitutionen stärken.«
– Liz Mohn, Vorstandsvorsitzende der Liz Mohn Stiftung
Inside Artists soll helfen, die Arbeitsweise des Beethovenfests zu evolutionieren. Die Erkenntnisse des Modellprojekts sollen jedoch über das Festival hinausreichen und Grundlage für eine Umsetzung in anderen (Kultur-)Organisationen sein. »Letztendlich erhoffe ich mir, dass wir diese ko-kreative Arbeitsweise im Team etablieren können und zudem anderen Institutionen Input für die Projektentwicklung an die Hand geben können«, so Steven Walter. Das Projekt läuft noch bis Dezember 2024.