Er gewann 2023 die International Telekom Beethoven Competition – der US-amerikanische Pianist Caleb Borick tritt im Beethovenfest mit einem Weltklasse-Orchester im Rücken, dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin, in der Bonner Oper auf. Wir haben ihm fünf Fragen gestellt.
Caleb, nimm uns mit in deinen Alltag: Wie sieht ein typischer ›Arbeits‹-/›Übetag‹ für dich aus?
Ich vermeide im Allgemeinen einen reglementierten Übungsplan und übe stattdessen, wenn ich den Drang dazu verspüre. Denn ich finde es wichtig, aus Liebe zur Musik zu üben und nicht aus irgendeinem anderen Grund. Ich habe das Gefühl, dass mein Üben dadurch viel produktiver ist, als es sonst der Fall wäre, und dass ich ziemlich viel üben kann, ohne auszubrennen.
Du hast Dich bewusst für das zweite Klavierkonzert von Brahms entschieden – was fasziniert Dich an diesem Werk und an Brahms’ Klavierwerken im Allgemeinen?
Das B-Dur-Konzert von Brahms ist ein einzigartiges Werk. Brahms beschrieb es in Briefen an Freunde trocken als »ein ganz ein kleines Klavierkonzert mit einem ganz kleinen zarten Scherzo«, und tatsächlich ist das genaue Gegenteil der Fall. Die Orchestrierung ist gewaltig und entspricht im Wesentlichen dem, was er in seinen vier Sinfonien verlangt, das Konzert ist von fast beispielloser Länge, und das Scherzo ist ein kolossal donnerndes Unterfangen. Ich freue mich sehr darauf, es im September in Bonn mit dem Publikum zu teilen.
Du führst das Stück mit dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin auf – wie sind die Rollen zwischen Solist und Orchester verteilt?
Obwohl es in dem Stück viele virtuose Solopassagen gibt, ist es einzigartig durch die enge Verflechtung des Orchesterparts mit dem Solopart. Es gibt so viel Interaktivität und Austausch zwischen dem Orchester und dem Pianisten, dass es fast wie Kammermusik wirkt, nur in einem viel größeren Maßstab. In dieser Hinsicht ist dieses Stück etwas Besonderes, aber es hat durchweg die reichen Texturen und die große Gefühlstiefe, die so viele Werke von Brahms im Allgemeinen auszeichnen.
Mit einer Länge von 50 Minuten ist das Konzert eines der längsten überhaupt. Auch die Telekom Beethoven Competition verlangt ein sehr großes Repertoire. Wie hast Du Dich darauf vorbereitet, so viele Werke zugleich spielbereit zu haben?
Ich habe mich bei der Telekom Beethoven Competition beworben, weil die Anforderungen an das Repertoire zwar ziemlich umfangreich sind, aber die gesamte verlangte Musik mir am Herzen liegt. Es erforderte eine Menge Arbeit, das ganze Repertoire aufführungsreif zu halten, aber ich sah es nicht als Arbeit an, sondern vielmehr als eine aufregende und eher seltene Gelegenheit, große Mengen wirklich unglaublicher Musik zu erkunden. Jedes Stück, das für den Wettbewerb verlangt wird, ist etwas Besonderes und persönlich wichtig für mich, von der jugendlichen Vitalität des frühen Beethoven bis hin zur transzendenten Universalität seiner späteren Werke, und so fühlte sich meine Vorbereitung in der Summe überhaupt nicht beschwerlich an.
Das Beethovenfest 2024 steht unter dem Motto »Miteinander«, in Anspielung auf 75 Jahre Grundgesetz. Welche Rolle spielen Deiner Meinung nach politische Botschaften in der (klassischen) Musikwelt?
Ich denke, dass Kunst oft untrennbar mit Politik verbunden ist, und die klassische Musik bildet da keine Ausnahme. Außerdem ist das Besondere an der Musik, dass sie ein Medium ist, das Sprachen und Grenzen überwindet. Man muss kein Deutsch verstehen, um zum Beispiel das Gefühl von Menschlichkeit und Gemeinschaft in Beethovens 9. Sinfonie zu spüren. Da Musik eine solche philosophische Aussage tragen kann, finde ich es eigentlich ganz wichtig, dass wir nicht versuchen, sie von der Politik zu trennen. Musik kann ein Gefühl der Verbundenheit zwischen sehr unterschiedlichen Menschen vermitteln. Genau diese Verbundenheit gilt es im Auge zu behalten, damit wir in einer Weise handeln und Entscheidungen treffen, die freundlich, mitfühlend und rücksichtsvoll gegenüber anderen ist.
Caleb Borick im Beethovenfest 2024
, Oper Bonn
Deutsches Symphonie-Orchester & Caleb Borick
Deutsches Symphonie-Orchester Berlin, Caleb Borick, Lionel Bringuier
Farrenc, Brahms