»Beethoven war 13 Jahre alt, als der Winter von 1783 die Welt heimsuchte.
Nie war es kälter. Die Seen, Flüsse, sogar die Meere gefroren,
Im Frühjahr dann plötzliches Tauwetter, Überschwemmungen, Hungersnöte, Seuchen.Dasselbe, anders, schlimmer, im Jahr ohne Winter 1816, als nach dem Ausbruch des Tambora die Vulkanasche die Welt verdunkelte.
Da war der Komponist 46, und lebte in Wien als berühmter Künstler.
Typhus und Pest in Stadt und Land. Kein Impfstoff, keine Antibiotika. Die Menschen den Gewalten schutzlos ausgeliefert. Man stapelte die Leichen. Man hatte Erfahrung damit.
In der Völkerschlacht zu Leipzig, nur zwei Jahre früher, fielen in drei Tagen fast hunderttausend Männer aus ganz Europa.
Vorher hatten ihre Armeen das Land verhehrt, die Natur geplündert, die Felder und Äcker zerbombt und kahlgefressen.
Wie Beethoven wohl über die Natur dachte? Über die Natur seines Ohrs, über die Akustik, die Physik und die Metaphysik?
Glaubte er noch an die Pastorale, die Sinfonie Nr. 6, an seine Komposition? An den Hirtengesang, die Idylle, die Erlösung durch das Landleben?
Was könnten wir von Beethoven lernen, von seiner Zeit, seiner Natur, im Angesicht der Dürre, der Seuchen, des Krieges, des Hungers, der Flucht in unseren Tagen?«
Fr. 1.9.
17 Uhr, Festivalzentrale an der Kreuzkirche
Diskurs: Eröffnungsvortrag Lukas Bärfuss
- Diskurs
- Vergangene Veranstaltung
- Eintritt frei, Anmeldung erforderlich
Programm
Lukas Bärfuss (Autor, Dramatiker, Publizist)
Musik und Katastrophe
Eröffnungsvortrag
Beethovenfest Bonn 2023
Nach der Veranstaltung laden wir zum Umtrunk in der Festivalzentrale Kreuzkirche ein.
Das Konzert wird live übertragen auf www.beethovenfest.de/streams
Beschreibung
Mit seinem präzisen Blick auf die Verlogenheit und Gier unserer heutigen Gesellschaft bei gleichzeitiger empathischer Auseinandersetzung mit den Unzulänglichkeiten des Menschen sensibilisiert uns der Schweizer Autor, Dramatiker und Dramaturg Lukas Bärfuss (Jg. 1971) immer wieder für eine kritische Überprüfung unseres Lebensstils und der Geschichten, die wir uns rechtfertigend darüber erzählen. »Tatsachen finden am schwersten ins menschliche Bewusstsein...Solche unangenehmen Tatsachen verstecken wir gerne hinter falschen Begriffen«, schreibt er etwa am Beginn seines Textes »Nach uns die Amöben?«. »Die Ungeborenen haben keine Stimme, um ihre Ansprüche geltend zu machen.«, heißt es dort später. Umso mehr müssen wir uns fragen, welche Welt wir nachfolgenden Generationen hinterlassen.
Dabei ist der Gedanke mutmachend, den Lukas Bärfuss am Schluss seiner Dankesrede ausgesprochen hat, die er anlässlich der Verleihung des Georg-Büchner-Preises 2019 in etwas anderem Zusammenhang ausgesprochen hat: dass es in allem katastrophalen menschlichen Handeln »keine Fatalität gibt, kein Müssen«, und »Zynismus und Resignation nur andere Worte für Feigheit sind«.
Wir dürfen gespannt sein, wie uns Lukas Bärfuss in seinem Eröffnungsvortrag des Beethovenfests ins Gewissen reden wird und welche Hoffnungen er womöglich auf Kunst und Kultur richtet angesichts der Notwendigkeit einer schnellstmöglichen energiewirtschaftlichen, aber auch gesellschaftlichen Transformation, ohne die die aktuellen Krisen nicht zu bewältigen sind. Diese Reflexion erhält vor dem Hintergrund des 75. Jahrestages der konstituierenden Sitzung des Parlamentarischen Rates am 1. September, aus der ein dreiviertel Jahr später das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland hervorging, eine besondere historische Dimension.
Eine Veranstaltung zum Start des Fellowship-Projekts
Veranstaltungsort
Festivalzentrale an der Kreuzkirche
An der Evangelischen Kirche
53113 Bonn
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