Kit Armstrong Klavier
Claire Huangci Klavier
28.8.– 27.9. 2025
Kit Armstrong Klavier
Claire Huangci Klavier
Sergei Rachmaninow (1873–1943)
Suite Nr. 2 C-Dur op. 17 für zwei Klaviere
I. Introduction (Alla marcia)
II. Waltz (Presto)
III. Romance (Andantino)
IV. Tarantella (Presto)
John Adams (*1947)
»Hallelujah Junction« für zwei Klaviere
Pause
Ludwig van Beethoven (1770–1827)
Aus der Sinfonie Nr. 3 »Eroica«, Fassung für Klavier zu vier Händen von Franz Ludwig Schubert
II. Marcia funebre. Allegro assai
Maurice Ravel (1875–1937)
»La Valse«, Fassung für zwei Klaviere
Kit Armstrong (*1992)
»Abschied« für zwei Klaviere
Der berühmte Musikkritiker Eduard Hanslick und einige seiner Freunde kehren vom Spaziergang heim. Was tun? »Fast schüchtern regte uns die Frage, ob wir nicht ein wenig Musik machen sollten? […] – Es verstand sich von selbst, dass mit vierhändigem Spiel der Anfang gemacht wurde. Ist es doch die intimste, die bequemste und in ihrer Begrenzung vollständigste Form häuslichen Musizierens.«
Das Spiel im Duo (ob zu vier Händen oder an zwei Klavieren) ist bis heute eine der faszinierendsten Formen des kammermusikalischen Miteinander. Kit Armstrong und Claire Huangci kennen sich seit vielen Jahren: Er war elf, sie dreizehn. Sie haben zusammen studiert und sich nie aus den Augen verloren. Gute Voraussetzungen für ein erfolgreiches Duo-Spiel. Denn dafür braucht es vor allem einen gemeinsamen Atem und einen Sinn für die innere Organik des vierhändigen Klavierwerks.
Nachdem die Uraufführung seiner ersten Sinfonie 1897 zu einem Desaster geraten war – unter anderem, weil der Dirigent in trunkenem Zustand ans Pult getreten war –, wollte Sergei Rachmaninow nie wieder komponieren. Erst nach einer langen und intensiven ärztlichen Behandlung gelang es ihm langsam, musikalisch wieder Fuß zu fassen. Zum erweiterten Genesungs-Prozess zählte eine mehrmonatige Reise nach Italien. Dabei bereitete er den berühmten Bassisten Fjodor Schaljapin in bester Korrepetitoren-Manier am Klavier auf einen Auftritt als »Mefistofele« in Arrigo Boitos gleichnamiger Oper an der Mailänder Scala vor.
Sogar an das Komponieren dachte Rachmaninow wieder, er sammelte Ideen und fertigte Skizzen an, denen er anschließend auf seinem russischen Landgut konkrete Ergebnisse folgen ließ: Er arbeitete an seinem zweiten Klavierkonzert und vollendete eine Suite für zwei Klaviere. Spätestens der Schlusssatz »Tarantella« (ein schneller, sich zunehmend verwirbelnder süditalienischer Volkstanz, der gegen Tarantel-Bisse helfen soll) nimmt unmittelbaren Bezug auf die noch frischen Italien-Erlebnisse. Die Suite sprüht insgesamt vor Lebensfreude. Wie weit weg scheinen hier Rachmaninows depressive Phasen. Noch im Oktober 1901 führte Rachmaninow die neue Suite in Moskau mit seinem Lehrer und Cousin Alexander Iljitsch Siloti zum ersten Mal auf. Seither ist sie aus den Programmen von Klavier-Duos kaum mehr wegzudenken.
»Hallelujah Junction« – unter diesem Titel veröffentlichte John Adams seine Autobiografie, in Anlehnung an das ebenso betitelte Werk für zwei Klaviere aus dem Jahr 1996. Der Titel bezieht sich auf eine der vielen LKW-Raststätten nahe der Grenze zwischen Kalifornien und Nevada, entlang der US 395, einer knapp 900 km langen Straße quer durch Kalifornien. An besagter Stelle erhebt sich die Straße 1.500 Meter über den Meeresspiegel – und Adams selbst besitzt dort in der Nähe eine eigene Blockhütte in den Bergen.
In vier einander eng verbundene Abschnitte hat er seine Komposition eingeteilt, ohne die einzelnen Sätze genauer zu bezeichnen. Prägend ist die rhythmische Struktur, die, nach Adams’ eigener Aussage, die Motive zwischen den beiden Klavieren hin- und herspringen lässt und sie miteinander verzahnt – daher auch das Wort »Junction« im Titel (dt. Kreuzung, Knotenpunkt).
1998 wurde das Werk von Grant Gershon und Gloria Cheng erstmals aufgeführt, da beide Pianisten Adams um ein neues, ›kurzes‹ Stück gebeten hatten. Gewidmet ist es Ernest Fleischmann, dem langjährigen Geschäftsführer des Los Angeles Philharmonic.
Im ersten Moment ist man versucht, Franz (Peter) Schubert, den berühmten Komponisten, zu verwechseln mit Franz (Ludwig) Schubert, dem Autor mehrerer musikalischer Bücher (etwa »Katechismus der musikalischen Formenlehre« von 1863) – und Bearbeiter von Beethovens »Eroica« für Klavier vierhändig.
Dieser wenig bekannte Schubert stammte aus dem sachsen-anhaltinischen (Bad) Dürrenberg und ist 1868 in Leipzig gestorben. Komponiert hat Schubert wenig, dafür umso mehr Werke bearbeitet. Um 1830 richtete er Wolfgang Amadeus Mozarts »Così fan tutte« für Klavier zu vier Händen ein, später legte er auch den »Figaro« nach, er arrangierte Ouvertüren von Felix Mendelssohn Bartholdy, Vincenzo Bellinis »Norma« und fünf Bühnenwerke von Albert Lortzing, schließlich zwei Sinfonien von Beethoven, die Sechste und die »Eroica«.
Diese Bearbeitungen fallen in die Blütezeit der Klavier-Transkriptionen. Natürlich bildete Franz Liszt mit seinen virtuosen Konzert-Arrangements die Speerspitze, doch zu einer Zeit, als das Klavier in den bürgerlichen Wohnstuben immer verbreiteter wurde, zählte auch das vierhändige Klavierspiel zu einer der meist praktizierten Formen häuslichen Musizierens. Eine kaum überschaubare Fülle von Arrangeur:innen sättigten den hungrigen Markt mit Bearbeitungen. Die meisten von ihnen sind heute vergessen, auch Franz Ludwig Schubert.
»Der Trauermarsch ist neu, und trägt den Charakter edler Schwermuth: so lang, selbst im Verhältnisse gegen die übrigen Sätze, er auch ist, so verweilt man doch gern in der Empfindung, welche er einflösst. Die Mischung der Harmonieen ist äusserst rein und korrekt.«
– »Allgemeine musikalische Zeitung« nach einem Konzert am 3. Januar 1807
Gegen die Musik der Zweiten Wiener Schule hat sich Ravel stets verwahrt: »Ich habe sie immer als eine intellektuelle Pose betrachtet.« Sagte ausgerechnet er, Ravel, der keine Note ohne feinste Akribie aufschrieb. So verwundert es nicht, dass er sich mit »La Valse«, dem Abgesang auf den Wiener Walzer, mehr als vierzehn Jahre lang herumgeplagt hat.
Bereits in einem Brief vom Februar 1906 vermeldete er, dass er »eine Hommage an Johann Strauß« plane. Bis 1914 wollte er das Ganze »Wien« nennen, Untertitel: »poème symphonique«. Später überschrieb er sein Werk mit: »La Valse. Poème choréographique«. Nachträglich hielt er dazu folgende Gedanken fest: »Durch wirbelnde Wolken hindurch sind Walzer tanzende Paare schwach erkennbar. Allmählich zerstreuen sich die Wolken: Man gewahrt eine ungeheuer riesige Halle mit einer wirbelnden Menschenmenge. Die Szene wird allmählich heller. Das Licht der Kronleuchter verbreitet sich in strahlendem Fortissimo. Ein kaiserlicher Hof, um 1855.« Neben allem Strahlen, allem rauschhaften Glanz und Glamour impliziert »La Valse« aber auch eine ganz andere Form der Apotheose: den schwarzen, pessimistisch-katastrophennahen Taumel des Ersten Weltkriegs. Die Energie des Walzers erfährt eine Sinnumkehrung von feinem psychologischem Kalkül.
Schon kurz nach der Uraufführung im Jahr 1920 bearbeitete der Komponist sein Orchsterwerk für zwei Klaviere.
Maurice Ravel wurde am 7. März 1875 in Ciboure geboren. Er studierte ab 1889 für sechzehn Jahre am Pariser Konservatorium, war als Pianist und Dirigent tätig und ist einer der bekanntesten Komponisten seiner Zeit. Besonders beliebt ist Ravels »Boléro«: eigentlich Ballettmusik, die heute aber in vielen verschiedenen Bearbeitungen gespielt wird und über die Grenzen der Klassik hinweg verbreitet ist. Am 28. Dezember 1937 starb Ravel in Paris.
Bereits mit fünf Jahren hat Kit Armstrong mit dem Komponieren begonnen. Damals gab es noch nicht einmal ein Klavier zu Hause. Doch er fing an, sich kleinere Musikstücke auszudenken, die er bevorzugt seinen Freunden im Garten, den Hühnern, widmete. Die »Chicken Sonata« legt davon Zeugnis ab. Lockte ihn mehr das klangliche Erleben oder das optische Spiel mit verschriftlichten Noten? Er weiß es selbst nicht mehr so genau: »Wenn man etwas sieht, das nicht richtig aussieht, versucht man, es entweder anders zu notieren oder es sich musikalisch anders vorzustellen.«
»Ich komponiere, weil es mir einfach Spaß macht, bestimmte Ideen oder Beobachtungen, die ich habe, musikalisch auszudrücken. Und weil es mir ermöglicht, durch Raum und Zeit zu reisen.« – Kit Armstrong
Sein Werk »Abschied« hat er für die Pianistin Annika Treutler geschrieben. Die gemeinsame Uraufführung fand 2018 in Wolfsburg statt.
Text: Christoph Vratz
»Gegen die Behauptung, dass wir als Interpretierende uns den Komponist:innen unterordnen müssen, bin ich regelrecht allergisch. Wir halten die Kompositionen für unabänderlich, weil wir sie als historische Zeugnisse betrachten, und geben sie wieder, weil wir meinen, mit genau diesen Noten und Vorgaben wertvolle Musik auch für den heutigen Tag schaffen zu können. Warum sollten wir da mit dem oder der Komponist:in nicht auf Augenhöhe sein?« – Kit Armstrong
Die amerikanische Pianistin Claire Huangci, Gewinnerin des ersten Preises sowie des Mozartpreises beim Concours Géza Anda 2018, zieht ihr Publikum durch »glitzernde Virtuosität, gestalterische Souveränität, hellwache Interaktion und feinsinnige Klangdramaturgie« (Salzburger Nachrichten) in den Bann.
Gestartet hat Claire Huangci ihre internationale Karriere bereits im Alter von neun Jahren mit Konzertauftritten und Wettbewerbserfolgen. Sie begann ihr Studium am Curtis Institute of Music in Philadelphia, bevor sie 2007 zu Arie Vardi nach Hannover wechselte. Sie gewann als jüngste Teilnehmerin den 2. Preis beim Internationalen ARD Musikwettbewerb 2011.
In Solorezitalen und als Partnerin internationaler Orchester konzertierte Claire Huangci bereits in bedeutenden Konzertsälen wie der Carnegie Hall New York, der Suntory Hall Tokyo, der Philharmonie de Paris, der Elbphilharmonie Hamburg und der Franz Liszt Akademie Budapest sowie bei renommierten Festivals wie dem Lucerne Festival, dem Rheingau Musik Festival oder dem Klavierfestival Ruhr.
Kit Armstrong, geboren 1992 in Los Angeles, ist ein wahres Multitalent. Von der New York Times als »brillanter Pianist« gefeiert, begann er bereits mit sieben Jahren (!) das Studium der Komposition und der Physik. Es folgten Studien in den Fächern Klavier, Orgel, Mathematik und Chemie. Seine Kompositionen werden heute bei Edition Peters verlegt und von prominenten Klangkörpern, etwa dem Gewandhausorchester Leipzig und dem Musikkollegium Winterthur in Auftrag gegeben.
Als Solo-Pianist arbeitete Armstrong mit vielen der weltweit gefragtesten Dirigent:innen zusammen, darunter Christian Thielemann und Robin Ticciati sowie mit Orchestern wie den Wiener Philharmonikern und dem NHK Symphony Orchestra. Er war Artist-in-Residence bei den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern 2018 und ist langjähriger Partner der Akademie für Alte Musik Berlin.
Seit dem Kauf der Kirche St. Thérèse im französischen Hirson hat er ein medial viel beachtetes sozio-kulturelles Zentrum geschaffen, das regelmäßig Konzerte und interdisziplinäre Projekte veranstaltet.
Wir – das Beethovenfest Bonn – laden ein, in einem offenen und respektvollen Miteinander Beethovenfeste zu feiern. Dafür wünschen wir uns Achtsamkeit im Umgang miteinander: vor, hinter und auf der Bühne.
Für möglicherweise auftretende Fälle von Grenzüberschreitung ist ein internes Awareness-Team ansprechbar für Publikum, Künstler:innen und Mitarbeiter:innen.
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Das Beethovenfest Bonn 2024 steht unter der Schirmherrschaft des Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst.
Programmheftredaktion:
Sarah Avischag Müller
Noomi J. Bacher
Lektorat:
Heidi Rogge
Die Texte von Christoph Vratz sind Originalbeiträge für dieses Programmheft.