Supporting programme: You can visit the sound installation »trias politica« by Fellowship artist Stimming nearby at the Opera lawn on 29 September between 12 noon and 5pm. Admission free.
From 60 minutes before the concert, the exhibition »Visible ›An die Freude‹« by photographer Mariko Tagashira will be open in the Beethoven-Haus.
Description
Baritone Stephan Genz and Eric Schneider on the piano sound the dark sides of the German art song. The mysterious folk lyric in Mahler’s »Des Knaben Wunderhorn« (»The Boy’s Magic Horn«) encounters the great ballads of Franz Schubert and the ambivalent impressions of the Los Angeles of the 1940s as Bertolt Brecht and Hanns Eisler captured them as expats.
Gustav Mahler (1860–1911) Aus »Des Knaben Wunderhorn«:
»Revelge« »Tamboursg’sell« »Lied des Verfolgten im Turm«
Franz Schubert (1797–1828) »Der Pilgrim« D 794 »Wie Ulfru fischt« D 525 »Hoffnung« D 637 »Sehnsucht« D 636 »Die Bürgschaft« D 246
Hanns Eisler (1898–1962) »Sonett über Schillers Gedicht ›Die Bürgschaft‹«
Hanns Eisler Aus »Hollywooder Liederbuch«:
»Fünf Hollywood-Elegien« I. »Unter den grünen Pfefferbäumen« II. »Die Stadt ist nach den Engeln genannt« III. »Jeden Morgen, mein Brot zu verdienen« IV. »Diese Stadt hat mich belehrt« V. »In den Hügeln wird Gold gefunden«
»Dir auch wurde Sehnsucht nach der Heimat tödlich«
Für ein ungestörtes Konzerterlebnis bitten wir Sie, auf Foto- und Videoaufnahmen zu verzichten.
Zusätzlich zu Blumen schenken wir den Künstler:innen Blüh-Patenschaften, mit deren Hilfe in der Region Bonn Blumenwiesen angelegt werden.
Einleitung
Zuflucht im Lied
Einleitung
Hunderte europäische Kunstlieder singen vom Fremdsein in der Welt, von der Unbarmherzigkeit des Todes und bisweilen auch des Lebens. Mit Ohren von Heute offenbaren sich in den Werken von Gestern neue Facetten in den bekannten Motiven – wie etwa die Bedrohlichkeit der Naturgewalten, mit denen Franz Schuberts Figuren in existenziellen Notlagen konfrontiert sind. Gespenstisch heutig auch die düstere Seite des Soldatentums, die Gustav Mahler in Töne setzte. Fühlte Mahler sich »dreifach heimatlos: als Böhme unter den Österreichern, als Österreicher unter den Deutschen und als Jude in der ganzen Welt«, so erfährt man aus den Hollywooder Liedern Hanns Eislers – erst nach Amerika, dann wieder aus Amerika vertrieben – einiges über die Unwirtlichkeit der Orte, von denen man sich Zuflucht erhofft.
Mahler
Gustav Mahler
»Und das Dort ist niemals hier«
Der Komponist Gustav Mahler starb 1911 mit nur 50 Jahren. Er erlebte also nicht mehr, dass 1914 die Ermordung des etwa gleich alten österreichisch-ungarischen Thronfolgers Europa in den Ersten Weltkrieg stürzte. Die damals verbreitete, von jahrelanger Aufrüstung begleitete Überzeugung, in einen leicht zu gewinnenden, kurzen Krieg zu ziehen, ist in ihrer romantisierenden Naivität heute kaum noch zu begreifen. Die Vorboten der Kriegsbereitschaft in seiner Heimat und den angrenzenden Staaten konnte Mahler fast ein Leben lang bezeugen – für die Klangwelt des Komponisten hatte das tiefgreifende Bedeutung. Von Kleinkindtagen an lebte Mahler in Iglau, zwischen Wien und Prag gelegen. Wenn auch keine große Stadt, war Iglau ein wichtiger Garnisonsstützpunkt in einer Region mit langen Grenzen zum konfliktfreudigen deutschen Bündnispartner. Der Musik der Militärkapellen, das Exerziergeschehen, die Signale der Morgen- und Abendappelle waren in Mahlers Kindheit allgegenwärtig und sind – stilisiert, transformiert – mit Marschrhythmen, Fanfarenmotiven und perkussiven Elementen in seinen Personalstil eingegangen.
15 Gedichte aus Clemens Brentano und Achim von Arnim: »Des Knaben Wunderhorn« 1805–1808
Zwischen Aufbegehren und Kadavergehorsam
Rund ein Fünftel von Mahlers Liedern greifen auf Texte mit militärischen Motiven zurück – vor allem auf Volksdichtungen aus jenen Sammlungen, die Achim von Arnim und Clemens Brentano Anfang des 19. Jahrhunderts als »Des Knaben Wunderhorn« herausgegeben hatten. Im Kontrast zum verherrlichenden Stolz seiner Umwelt zeichnet Mahler eine Sphäre des Soldatentums, die gezeichnet ist von Zwang und Verzweiflung. In der 1899 entstandenen »Revelge« marschiert eine Kompanie noch über den Tod hinaus; im »Tamboursg’sell« von 1901 kann der Verurteilte sich nur für Momente gegen seine Hinrichtung auflehnen. Über das Schicksal des Verfolgten im Turm im gleichnamigen Dialoglied von 1898 kann man lediglich spekulieren; dass es aber kein glückliches sein kann, verrät freilich die Musik. Während der Gefangene die besungene Freiheit auch im musikalischen Impetus behauptet, sind die Wunschbilder, die sein an der Kerkertür trauerndes Mädchen in tröstend liedhaften Tönen evoziert, unerreichbar weit entfernt.
Monumentale Sinfonien, die ohne seine Lieder für Singstimme und Klavier nicht denkbar wären
»Dem Rhythmus dieses Liedes [Revelge] musste nichts weniger als der 1. Satz meiner III. [Sinfonie] als eine Studie vorausgehen; ich hätte es ohne das nicht machen können, und in gewissem Sinne enthält dieses kurze Lied alles von mir, wie ein Baumquerschnitt die ganze Entwicklung und das ganze Leben des Baumes aufweist.«
– Gustav Mahler (aus den Erinnerungen Natalie Bauer-Lechner an Mahler)
Schubert
Franz Schubert
Die hoffende Seele
Die anonymen »Wunderhorn«-Texte waren für Mahler auch deshalb bestens geeignet, weil er die Volksdichtungen deutlich freier handhaben, kürzen und umstellen konnte, als er es sich bei ›hoher‹ Literatur zugestand. Franz Schubert hingegen schöpfte aus dem Vollen der heimischen Bibliothek: Von Aischylos und Petrarca über Goethe und Claudius bis zu bekannten Zeitgenossen wie Novalis und Heine scheute der Komponist die großen Namen nicht. Doch manche seiner Vertonungen sicherten auch Dichtern Nachruhm, die heute womöglich vergessen wären. Das gilt für Wilhelm Müller (den Autor der »Winterreise«) ebenso wie für Schuberts Freund und zeitweiligen Mitbewohner Johann Mayrhofer.
Kunstlieder und Kammermusik, trotz etlicher Opern und Sinfonien
Eine besondere Affinität zu Friedrich Schiller zeigt sich nicht nur in der hohen Zahl von Gelegenheiten, bei denen Schubert zu den Texten des Dichters griff. Sie spiegelt sich auch darin, dass nicht nur einige der ersten, sondern später auch einige der letzten Lieder Schuberts auf Schiller basieren. Schillers Wort, dass Hoffnung »kein leerer, kein schmeichelnder Wahn« sei, sondern ein Fingerzeig auf die höhere Bestimmung des Menschen, mag man auch in der Ballade »Die Bürgschaft« verwirklicht sehen. Als junger Wiener im Wirkungskreis der Befreiungskriege von heroischen Sujets begeistert, hatte Schubert sich bereits mit Schillers umfänglicher Ballade »Der Taucher« beschäftigt, als er im August 1815 die Vertonung der »Bürgschaft« in Angriff nahm; im Jahr darauf begann er auch ein nie vollendetes Singspiel auf Basis der dramatischen Erzählung.
»Gleichwie der Frühling die Erde erschüttert, um ihr Grün, Blüthen und milde Lüfte zu spenden, so erschüttert und beschenkt den Menschen das Gewahrwerden seiner productiven Kraft […]. Dieses Grundgefühl, und die Liebe für Dichtung und Tonkunst machten unser Verhältniß inniger; ich dichtete, er [Schubert] komponierte, was ich gedichtet, und wovon Vieles seinen Melodien Entstehung, Fortbildung und Verbreitung verdankt.«
Der idealistische Überschwang von Schillers Ballade inspirierte schon dessen Zeitgenossen zu Parodien. Bertolt Brecht reiht sich ein mit einem der literaturkritischen Sonette, die er zwischen 1933 und 1940 verfasste; zwei davon setzte Eisler als op. 54 in Töne. Was wäre das für eine schöne Welt, in der statt des Beharrens auf Schuld und Rache Werte wie Loyalität, Rücksicht und Augenmaß das Miteinander bestimmen! Doch die Realität sah und sieht anders aus. In den Kollaborationen von Brecht und Eisler, die im Berlin um 1930 ihren Anfang nahmen, war Musik ein Vehikel, diese Weltsicht zu kommunizieren. Der Komponist, der in den 1920er-Jahren in Wien zu Schönbergs Meisterschülern zählte, sah es später durchaus kritisch, so untrennbar mit politischem Aktivismus verbunden zu sein: »Man redet von mir als Propagandisten, als Verbündetem der Arbeiterklasse, als Kommunisten – von Musik ist schon lange nicht mehr die Rede.«
Ist eine nach Eislers Tod in der heutigen Form zusammengestellte Liedsammlung
Als Jugendlicher war Hanns Eisler selbst Soldat im Ersten Weltkrieg; nach 1933 begab er sich ins Exil, ebenso wie Brecht »öfter als die Schuhe die Länder wechselnd«, bis beide sich Anfang der 1940er-Jahre in Hollywood wiedertrafen. Wenngleich Eisler als gefragter Filmkomponist seine Existenz sichern konnte, ging ihm die kapitalistische Maschinerie der Filmindustrie an die Substanz: »Für mich ist es hier eine Hölle der Dummheit, der Korruption (einer wahrlich unbeschreiblichen!) und der Langeweile.«
Die über 40 Lieder, die Eisler 1942 und 1943 wie eine »seismografische Aufzeichnung eines Kulturschocks« (Theodor W. Adorno) komponierte und in einer losen Sammlung als »Hollywooder Liederbuch« zusammenfasste, waren ebenso Zeitvertreib wie ein Dialog mit der Kunstliedtradition der alten Heimat. Einige Texte fand der Komponist bei Goethe, Eichendorff, Hölderlin und dem griechischen Lyriker Anakreon; die meisten Gedichte aber stammen von Brecht. Seine lakonischen Beobachtungen des amerikanischen Marktes stecken voll beißender Anklagen.
Nicht so »Der Kirschdieb«, eine 1938 im dänischen Exil skizzierte Momentaufnahme eines Obstdiebstahls. Das Lied bewahrt sich seine Leichtigkeit durch Vorenthaltungen: Ist der junge Dieb ein Mensch, der bald vom Kriegsdienst verschlungen wird? Oder ein erfolgreich Geflüchteter? In jedem Fall scheint eines dem oder der Kirschbaumbesitzenden, trotz aller Störung der eigenen Bequemlichkeit, völlig fremd zu sein: Neid oder Missgunst darüber, dass ein hungriger Fremder mit beiden Händen ins Leben zu greifen wagt. Auf einem der Manuskripte des »Hollywooder Liederbuchs« hat Eisler später treffend notiert: »In einer Gesellschaft, die ein solches Liederbuch versteht und liebt, wird es sich gut und gefahrlos leben lassen. Im Vertrauen auf eine solche sind diese Stücke geschrieben.«
»In diesem trübsinnigen ewigen Frühling von Hollywood sagte ich Brecht […]: ›Das ist der klassische Ort, wo man Elegien schreiben muß.‹ Das war die entsetzliche Idylle dieser Landschaft [...]. Brecht beklagte sich auch gesundheitlich. Es wäre ihm alles zu lau und zu milde [...] und diese ewige Blumenblüherei wäre überhaupt schon zum Kotzen. Kurz und gut, er war bitterlich, er war ganz verbittert darüber. Und das führte eben auch zu diesem ganz knappen und konzisen Stil als Gegengift.«
Des Morgens zwischen drei’n und vieren, Da müssen wir Soldaten marschieren Das Gässlein auf und ab; Trallali, Trallalei, Trallalera, Mein Schätzel sieht herab.
»Ach Bruder, jetzt bin ich geschossen, Die Kugel hat mich schwer getroffen, Trag mich in mein Quartier, Trallali, Trallalei, Trallalera, Es ist nicht weit von hier.«
»Ach Bruder, ich kann dich nicht tragen, Die Feinde haben uns geschlagen, Helf’ dir der liebe Gott; Trallali, Trallalei, Trallalera, Ich muss marschieren bis in Tod.«
»Ach, Brüder! ihr geht ja an mir vorüber, Als wär’s mit mir vorbei, Trallali, Trallalei, Trallalera, Ihr tretet mir zu nah.
Ich muss wohl meine Trommel rühren, Sonst werd’ ich mich verlieren; Die Brüder dick gesät, Sie liegen wie gemäht.«
Er schlägt die Trommel auf und nieder, Er wecket seine stillen Brüder, Sie schlagen ihren Feind, Trallali, Trallalei, Trallaleralala, Ein Schrecken schlägt den Feind.
Er schlägt die Trommel auf und nieder, Da sind sie vor dem Nachtquartier schon wieder, Ins Gässlein hell hinaus, Trallali, Trallalei, Trallalera, Sie ziehn vor Schätzleins Haus.
Des Morgen stehen da die Gebeine In Reih’ und Glied sie steh’n wie Leichensteine, Die Trommel steht voran, Tralali, Tralalei, Tralala, Dass sie ihn sehen kann.
Der Gefangene: Die Gedanken sind frei, Wer kann sie erraten? Sie rauschen vorbei Wie nächtliche Schatten. Kein Mensch kann sie wissen, Kein Jäger sie schießen; Es bleibet dabei, Die Gedanken sind frei.
Das Mädchen: Im Sommer ist gut lustig sein Auf hohen wilden Heiden, Dort findet man grün Plätzelein, Mein herzverliebtes Schätzelein, Von dir mag ich nit scheiden.
Der Gefangene: Und sperrt man mich ein Im finstern Kerker, Dies alles sind nur Vergebliche Werke; Denn meine Gedanken Zerreißen die Schranken Und Mauern entzwei, Die Gedanken sind frei.
Das Mädchen: Im Sommer ist gut lustig sein Auf hohen wilden Bergen; Man ist da ewig ganz allein, Man hört da gar kein Kindergeschrei, Die Luft mag einem da werden.
Der Gefangene: So sei es, wie es will, Und wenn es sich schicket, Nur all’s in der Still; Und was mich erquicket, Mein Wunsch und Begehren Niemand kann’s wehren; Es bleibet dabei, Die Gedanken sind frei.
Das Mädchen: Mein Schatz, du singst so fröhlich hier Wie’s Vögelein in dem Grase; Ich steh so traurig bei Kerkertür, Wär ich doch tot, wär ich bei dir, Ach, muss ich denn immer klagen?
Der Gefangene: Und weil du so klagst, Der Lieb ich entsage, Und ist es gewagt, So kann mich nicht plagen! So kann ich im Herzen Stets lachen, bald scherzen; Es bleibet dabei, Die Gedanken sind frei.
Die Angel zuckt, die Rute bebt, Doch leicht fährt sie heraus. Ihr eigensinn’gen Nixen gebt Dem Fischer keinen Schmaus! Was frommet ihm sein kluger Sinn, Die Fischlein baumeln spottend hin – Er steht am Ufer fest gebannt, Kann nicht in’s Wasser, ihn hält das Land.
Die glatte Fläche kräuselt sich, Vom Schuppenvolk bewegt, Das seine Glieder wonniglich In sichern Fluten regt. Forellen zappeln hin und her, Doch bleibt des Fischers Angel leer, Sie fühlen, was die Freiheit ist, Fruchtlos ist Fischers alte List.
Die Erde ist gewaltig schön, Doch sicher ist sie nicht! Es senden Stürme Eiseshöh’n; Der Hagel und der Frost zerbricht Mit einem Schlage, einem Druck, Das gold’ne Korn, der Rosen Schmuck – Den Fischlein unter’s weiche Dach, Kein Sturm folgt ihnen vom Lande nach.
Es reden und träumen die Menschen viel Von bessern künftigen Tagen; Nach einem glücklichen, goldenen Ziel Sieht man sie rennen und jagen. Die Welt wird alt und wird wieder jung, Doch der Mensch hofft immer Verbesserung! Die Hoffnung führt ihn ins Leben ein, Sie umflattert den fröhlichen Knaben, Den Jüngling begeistert ihr Zauberschein, Sie wird mit dem Greis nicht begraben; Denn beschließt er im Grabe den müden Lauf, Noch am Grabe pflanzt er – die Hoffnung auf. Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn, Erzeugt im Gehirne des Toren. Im Herzen kündet es laut sich an, Zu was besserm sind wir gebohren, Und was die innere Stimme spricht, Das täuscht die hoffende Seele nicht.
Ach, aus dieses Tales Gründen, Die der kalte Nebel drückt, Könnt’ ich doch den Ausgang finden, Ach, wie fühlt’ ich mich beglückt! Dort erblick’ ich schöne Hügel, Ewig jung und ewig grün! Hätt’ ich Schwingen, hätt’ ich Flügel, Nach den Hügeln zög ich hin. Harmonien hör’ ich klingen, Töne süßer Himmelsruh, Und die leichten Winde bringen Mir der Düfte Balsam zu, Gold’ne Früchte seh ich glühen, Winkend zwischen dunkelm Laub, Und die Blumen, die dort blühen, Werden keines Winters Raub. Ach wie schön muss sich’s ergehen Dort im ew’gen Sonnenschein, Und die Luft auf jenen Höhen O wie labend muss sie sein! Doch mir wehrt des Stromes Toben, Der ergrimmt dazwischen braust, Seine Wellen sind gehoben, Dass die Seele mir ergraust. Einen Nachen seh ich schwanken, Aber ach! der Fährmann fehlt. Frisch hinein und ohne Wanken, Seine Segel sind beseelt. Du musst glauben, du musst wagen, Denn die Götter leihn kein Pfand, Nur ein Wunder kann dich tragen In das schöne Wunderland.
Zu Dionys, dem Tirannen, schlich Möros, den Dolch im Gewande; Ihn schlugen die Häscher in Bande. Was wolltest du mit dem Dolche, sprich! Entgegnet ihm finster der Wüterich. »Die Stadt vom Tyrannen befreien!« Das sollst du am Kreuze bereuen.
Ich bin, spricht jener, zu sterben bereit Und bitte nicht um mein Leben, Doch willst du Gnade mir geben, Ich flehe dich um drei Tage Zeit, Bis ich die Schwester dem Gatten gefreit, Ich lasse den Freund dir als Bürgen, Ihn magst du, entrinn ich, erwürgen.
Da lächelt der König mit arger List Und spricht nach kurzem Bedenken: Drei Tage will ich dir schenken; Doch, wisse! wenn sie verstrichen die Frist, Eh du zurück mir gegeben bist, So muss er statt deiner erblassen, Doch dir ist die Strafe erlassen.
Und er kommt zum Freunde: »Der König gebeut, Dass ich am Kreuz mit dem Leben Bezahle das frevelnde Streben; Doch will er mir gönnen drei Tage Zeit, Bis ich die Schwester dem Gatten gefreit: So bleib’ du dem König zum Pfande, Bis ich komme, zu lösen die Bande.«
Und schweigend umarmt ihn der treue Freund Und liefert sich aus dem Tyrannen, Der andere ziehet von dannen. Und, ehe das dritte Morgenrot scheint, Hat er schnell mit dem Gatten die Schwester vereint, Eilt heim mit sorgender Seele, Damit er die Frist nicht verfehle.
Da gießt unendlicher Regen herab, Von den Bergen stürzen die Quellen, Und die Bäche, die Ströme schwellen. Und er kommt an’s Ufer mit wanderndem Stab, Da reißet die Brücke der Strudel hinab, Und donnernd sprengen die Wogen Des Gewölbes krachenden Bogen.
Und trostlos irrt er an Ufers Rand: Wie weit er auch spähet und blicket Und die Stimme, die rufende, schicket; Da stößet kein Nachen vom sichern Strand, Der ihn setze an das gewünschte Land, Kein Schiffer lenket die Fähre, Und der wilde Strom wird zum Meere.
Da sinkt er ans Ufer und weint und fleht, Die Hände zum Zeus erhoben: O hemme des Stromes Toben! Es eilen die Stunden, im Mittag steht Die Sonne und wenn sie niedergeht, Und ich kann die Stadt nicht erreichen, So muss der Freund mir erbleichen.
Doch wachsend erneut sich des Stromes Wut, Und Welle auf Welle zerrinnet, Und Stunde an Stunde entrinnet, Da treibt die Angst ihn, da fasst er sich Mut Und wirft sich hinein in die brausende Flut Und teilt mit gewaltigen Armen Den Strom, und ein Gott hat Erbarmen.
Und gewinnt das Ufer und eilet fort, Und danket dem rettenden Gotte, Da stürzet die raubende Rotte Hervor aus des Waldes nächtlichem Ort, Den Pfad ihm sperrend, und schnaubet Mord Und hemmet des Wanderers Eile Mit drohend geschwungener Keule.
Was wollt ihr? ruft er, für Schrecken bleich, Ich habe nichts, als mein Leben, Das muss ich dem Könige geben! Und entreißt die Keule dem nächsten gleich: Um des Freundes Willen erbarmet euch! Und drei, mit gewaltigen Streichen, Erlegt er, die andern entweichen.
Und die Sonne versendet glühenden Brand, Und von der unendlichen Mühe Ermattet, sinken die Knie: O hast du mich gnädig aus Räubershand, Aus dem Strom mich gerettet ans heilige Land, Und soll hier verschmachtend verderben, Und der Freund mir, der liebende, sterben!
Und, horch! da sprudelt es silberhell Ganz nahe, wie rieselndes Rauschen, Und stille hält er zu lauschen, Und sieh, aus dem Felsen, geschwätzig, schnell, Springt murmelnd hervor ein lebendiger Quell, Und freudig bückt er sich nieder Und erfrischet die brennenden Glieder.
Und die Sonne blickt durch der Zweige Grün Und malt auf den glänzenden Matten Der Bäume gigantische Schatten, Und zwei Wanderer sieht er die Straße ziehn, Will eilenden Laufes vorüber fliehn, Da hört er die Worte sie sagen: Jetzt wird er ans Kreuz geschlagen.
Und die Angst beflügelt den eilenden Fuß, Ihn jagen der Sorge Qualen, Da schimmern in Abendrots Strahlen Von ferne die Zinnen von Syrakus, Und entgegen kommt ihm Philostratus, Des Hauses redlicher Hüter, Der erkennet entsetzt den Gebieter:
Zurück! du rettest den Freund nicht mehr, So rette das eigene Leben! Den Tod erleidet er eben. Von Stunde zu Stunde gewartet’ er Mit hoffender Seele der Wiederkehr, Ihm konnte den mutigen Glauben Der Hohn des Tirannen nicht rauben.
»Und ist es zu spät, und kann ich ihm nicht Ein Retter willkommen erscheinen, So soll mich der Tod ihm vereinen. Des rühme der blutge Tirann sich nicht, Dass der Freund dem Freunde gebrochen die Pflicht, Er schlachte der Opfer zweie Und glaube an Liebe und Treue!«
Und die Sonne geht unter, da steht er am Tor Und sieht das Kreuz schon erhöhet, Das die Menge gaffend umstehet, An dem Seile schon zieht man den Freund empor, Da zertrennt er gewaltig den dichten Chor: »Mich, Henker, ruft er, erwürget! Da bin ich, für den er gebürget!«
Und Erstaunen ergreifet das Volk umher, In den Armen liegen sich beide, Und weinen für Schmerzen und Freude. Da sieht man kein Augen tränenleer, Und zum Könige bringt man die Wundermär, Der fühlt ein menschliches Rühren, Lässt schnell vor den Thron sie führen.
Und blicket sie lange verwundert an. Drauf spricht er: Es ist euch gelungen, Ihr habt das Herz mir bezwungen, Und die Treue, sie ist doch kein leerer Wahn, So nehmet auch mich zum Genossen an, Ich sei, gewährt mir die Bitte, In eurem Bunde der Dritte.
O schöne Zeit! O menschliches Gebaren! Der eine ist dem andern etwas schuld, Der ist tyrannisch, doch er zeigt Geduld Und lässt den Schuldner auf die Hochzeit fahren.
Ein Bürge bleibt. Der Schuldner ist heraus. Doch je, obgleich natürlich die Natur Ihm selbst so manche Ausflucht bietet, stur Kehrt er zurück und löst den Bürgen aus.
Solch ein Benehmen macht Verträge heilig. In solchen Zeiten kann man auch noch bürgen. Hat es der Schuldner mit dem Zahlen eilig, Braucht man ihn auch nicht allzu stark zu würgen. Und schließlich zeigte es sich ja auch dann: Am End’ war der Tyrann gar kein Tyrann.
I. Unter den grünen Pfefferbäumen Gehn die Musiker auf den Strich, Zwei und zwei mit den Schreibern. Bach hat ein Strichquartett im Täschchen, Dante schwenkt den dürren Hintern.
II. Die Stadt ist nach den Engeln genannt Und man begegnet allenthalben Engeln. Sie riechen nach Öl und tragen goldene Pessare, Und mit blauen Ringen um die Augen füttern sie Allmorgentlich die Schreiber in ihren Schwimmpfühlen.
III.
Jeden Morgen, mein Brot zu verdienen, Geh’ ich zum Markt, wo Lügen verkauft werden. Hoffnungsvoll Reihe ich mich ein unter die Verkäufer.
IV. Diese Stadt hat mich belehrt, Paradies und Hölle können eine Stadt sein. Für die Mittellosen Ist das Paradies die Hölle.
V. In den Hügeln wird Gold gefunden. An der Küste findet man Öl. Größere Vermögen Bringen die Träume vom Glück Die man hier auf Zelluloid schreibt.
Dir auch wurde Sehnsucht nach der Heimat Tödlich; dich schreckte der Süd nimmer, der winterlich stürmt. So fing dich die betrügliche Jahrszeit ein, und strömend Spülten die Wogen den Reiz lieblicher Jugend hinab.
An einem frühen Morgen, lange vor Morgengraun Wurde ich geweckt durch ein Pfeifen und ging zum Fenster. Auf meinem Kirschbaum -- Dämmerung füllte den Garten -- Saß ein junger Mann mit geflickter Hose Und pflückte lustig meine Kirschen. Mich sehend Nickte er mir zu, mit beiden Händen Holt er die Kirschen aus den Zweigen in seine Taschen. Noch eine ganze Zeitlang, als ich wieder in meiner Bettstatt lag Hört ich ihn sein lust’ges kleines Lied pfeifen.
Jutta und Ludwig Acker (Bonn) * Dr. Frauke Bachler und Hans-Dieter Hoppe (Rheinbach) * Dr. Rainer und Liane Balzien (Bonn) * Munkhzul Baramsai und Frank Voßen (Bonn) *Christina Barton van Dorp und Dominik Barton (Bonn) * Prof. Dr. Christa Berg (Bonn) * Prof. Dr. Arno und Angela Berger (Bonn) * Klaus Besier (Meckenheim) * Ingeborg Bispinck-Weigand (Nottuln) * Dr. Ulrich und Barbara Bongardt (Bonn) * Anastassia Boutsko (Köln) * Anne Brinkmann (Bonn) * Ingrid Brunswig (Bad Honnef) * Lutz Caje (Bramsche) * Elmar Conrads-Hassel und Dr. Ursula Hassel (Bonn)* Ingeborg und Erich Dederichs (Bonn) * Geneviève Desplanques (Bonn) * Irene Diederichs (Bonn) * Dr. Colin und Elisabeth Dürkop (Sankt Augustin) * Christel Eichen und Ralf Kröger (Meckenheim) * Dr. Gabriele und Ulrich Föckler (Bonn) * Prof. Dr. Eckhard Freyer (Bonn) * Andrea Frost-Hirschi (Spiez/Schweiz) *Johannes Geffert (Langscheid) *Silke und Andree Georg Girg (Bonn) * Margareta Gitizad (Bornheim) * Marta Gutierrez und Simon Huber (Bonn) * Cornelia und Dr. Holger Haas (Bonn) * Sylvia Haas (Bonn) * Christina Ruth Elise Hendges (Bonn) * Renate und L. Hendricks (Bonn) * Heidelore und Prof. Werner P. Herrmann (Königswinter) * Dr. Monika Hörig * Georg Peter Hoffmann und Heide-Marie Ramsauer (Bonn) * Dr. Francesca und Dr. Stefan Hülshörster (Bonn) * Hedwig Hupp (Neunkirchen-Seelscheid) * Karin Ippendorf (Bonn) * Angela Jaschke (Hofheim) * Dr. Michael und Dr. Elisabeth Kaiser (Bonn) * Agnieszka Maria und Jan Kaplan (Hennef) * Dr. Hiltrud Kastenholz und Herbert Küster (Bonn) * Dr. Reinhard Keller (Bonn) * Dr. Ulrich und Marie Louise Kersten (Bonn) * Rolf Kleefuß und Thomas Riedel (Bonn) * Dr. Gerd Knischewski (Meckenheim) * Norbert König und Clotilde Lafont-König (Bonn) * Sylvia Kolbe (Bonn) * Dr. Hans Dieter und Ursula Laux (Meckenheim) * Ute und Dr. Ulrich Kolck (Bonn) * Manfred Koschnick und Arne Siebert (Bonn) * Lilith Küster und Norbert Matthiaß-Küster (Bonn) * Ruth und Bernhard Lahres (Bonn) * Renate Leesmeister (Übach-Palenberg) * Gernot Lehr und Dr. Eva Sewing (Bonn) * Traudl und Reinhard Lenz (Bonn) * Moritz Magdeburg (Brühl) * Heinrich Meurs (Swisttal-Ollheim) * Heinrich Mevißen (Troisdorf) * Dr. Dr. Peter und Dr. Ines Miebach (Bonn) * Karl-Josef Mittler (Königswinter) * Dr. Josef Moch (Köln) * Esther und Laurent Montenay (Bonn)* Katharina und Dr. Jochen Müller-Stromberg (Bonn) *Dr. Gudula Neidert-Buech und Dr. Rudolf Neidert (Wachtberg) * Gerald und Vanessa Neu (Bonn) * Lydia Niewerth (Bonn) * Dr. Natalie und Hinrich Paulsen (Bad Honnef) * Carol Ann Pereira (Bonn) * Gabriele Poerting (Bonn) * Dr. Dorothea Redeker und Dr. Günther Schmelzeisen-Redeker (Alfter) * Ruth Schmidt-Schütte und Hans Helmuth Schmidt (Bergisch Gladbach) * Bettina und Dr. Andreas Rohde (Bonn) * Astrid und Prof. Dr. Tilman Sauerbruch (Bonn) * Monika Schmuck (Bonn) * Markus Schubert (Schkeuditz) * Simone Schuck (Bonn) * Petra Schürkes-Schepping (Bonn) * Dr. Manfred und Jutta von Seggern (Bonn) * Dagmar Skwara (Bonn) * Prof. Dr. Wolfram Steinbeck (Bonn) * Michael Striebich (Bonn) * Dr. Corinna ten Thoren und Martin Frevert (Bornheim) * Verena und Christian Thiemann (Bonn) * Silke und Andreas Tiggemann (Alfter) * Katrin Uhlig (Bonn) * Renate Wirtz (Wachtberg) * Dr. Bettina und Dr. Matthias Wolfgarten (Bonn)
Stephan Genz wurde 1973 in Erfurt geboren. Seine musikalische Ausbildung erhielt er als Mitglied des Leipziger Thomanerchors. Er studierte an der Hochschule für Musik Leipzig und an der Hochschule in Karlsruhe. Gleichzeitig arbeitete er mit Dietrich Fischer-Dieskau und mit Elisabeth Schwarzkopf, die ihn über mehrere Jahre betreute.
Stephan Genz gewann zu Beginn seiner Karriere Preise bei verschiedenen internationalen Wettbewerben. Seither führen ihn Gastverträge an rennommierteste Opernhäuser weltweit. Er arbeitete mit Kent Nagano, Kurt Masur, Myung-Whun Chung, Daniel Harding, Philippe Herreweghe, René Jacobs, Fabio Luisi und Nikolaus Harnoncourt. Seit seinem erfolgreichen Debüt in der Wigmore Hall London gibt er Liederabende in den bedeutenden Musikzentren der Welt. Über 50 CD-Einspielungen dokumentieren das breit gefächerte Repertoire des Sängers. Seit 2012 ist Stephan Genz Professor für deutsches Repertoire am Conservatoire National de Paris. An der Universität Mozarteum Salzburg ist Stephan Genz seit 2020 Professor für Lied und Oratorium.
Aus dem Bergischen Land stammend, studierte Eric Schneider Klavier und Mathematik in Köln. Nach ersten Wettbewerbspreisen und Auftritten als Solist entdeckte er seine Begeisterung für Lied und Kammermusik. In der Folge setzte er seine Ausbildung mit einem Studium der Liedbegleitung bei Hartmut Höll fort. Wegweisen-de Impulse erhielt er von Paul Badura-Skoda, Alfred Brendel und Dietrich Fischer-Dieskau. Besonderen Dank schuldet er Elisabeth Schwarzkopf für ihren stilbildenden Unterricht. In den 1990er-Jahren absolvierte er in Berlin eine Ausbildung in Orchesterdirigieren bei Rolf Reuter.
Unter seinen zahlreichen CD-Veröffentlichungen als Liedbegleiter waren »Winterreise« und »Apparition« mit Sopranistin Christine Schäfer, »Die Schöne Müllerin« und »Wanderers Nachtlied« mit Bariton Matthias Goerne, sowie »Sirènes« und »Behind the Lines 1914–2014« mit Sopranistin Anna Prohaska. Eine Solo-CD enthält Werke von Leoš Janáček, Ludwig van Beethoven und Robert Schumann. Eric Schneider lebt in Berlin und unterrichtet dort Lied an der Universität der Künste.
Wir – das Beethovenfest Bonn – laden ein, in einem offenen und respektvollen Miteinander Beethovenfeste zu feiern. Dafür wünschen wir uns Achtsamkeit im Umgang miteinander: vor, hinter und auf der Bühne.
Für möglicherweise auftretende Fälle von Grenzüberschreitung ist ein internes Awareness-Team ansprechbar für Publikum, Künstler:innen und Mitarbeiter:innen.
Wir sind erreichbar über eine Telefon-Hotline (+49 (0)228 2010321, im Festival täglich von 10–23 Uhr) oder per E-Mail (achtsamkeit@beethovenfest.de).
Werte und Überzeugungen unseres Miteinander sowie weitere externe Kontaktmöglichkeiten können hier auf unserer Website aufgerufen werden.
Das Beethovenfest Bonn 2024 steht unter der Schirmherrschaft des Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst.
Programmheftredaktion: Sarah Avischag Müller Noomi J. Bacher
Die Texte von Diane Ackermann sind Originalbeiträge für dieses Programmheft.